Essen/Gelsenkirchen. Mit einem Baumarkt-Sägeblatt hatte sich ein Insasse der JVA Gelsenkirchen im Sommer 2014 aus seiner Zelle befreit. Nun wurde er erneut verurteilt: wegen Sachbeschädigung

Warum sich das Stahlgitter vor dem Fenster der Zelle MB 171 im modernen Gelsenkirchener Gefängnis so leicht mit einem billigen Baumarkt-Sägeblatt durchtrennen ließ, klärte das Amtsgericht Gelsenkirchen nicht auf. Dafür machte es dem Ausbrecher Egon L. (31) aber klar, wie teuer die Beschädigung von Staatseigentum ist: Zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilte es ihn am Mittwoch - wegen Sachbeschädigung.

Für die eigentliche Flucht bestrafte es ihn aber nicht, weil das Schöffengericht keine Beweise für eine Absprache mit seinem Zellengenossen sah. Das wäre sonst als Gefangenenmeuterei strafbar gewesen. Deshalb gab es in diesem Punkt Freispruch, denn die allein durchgeführte Flucht steht nicht unter Strafe.

Bewährungsstrafen für zwei der Fluchthelfer

Verurteilt wurde außerdem die Freundin von Egon L., die das Fluchtfahrzeug gesteuert und ihn später versteckt hatte: ein Jahr und zwei Monate Haft mit Bewährung. Sein Freund, der eine Leiter an die JVA-Mauer gestellt hatte, bekam ein Jahr und zehn Monate Haft mit Bewährung. Freisprüche gab es für den Zellengenossen und einen weiteren Mann, der laut Anklage ein Wohnmobil als erstes Versteck zur Verfügung gestellt hatte.

Aus Sicherheitsgründen war die Gelsenkirchener Amtsrichterin Melanie Große für den mehrtägigen Prozess in den Schwurgerichtssaal des Essener Landgerichtes ausgewichen. Denn die Flucht von Egon L. aus dem Gelsenkirchener Knast gilt als spektakulär, sein Freiheitsdrang als groß. Er verbüßte in der JVA eine achtjährige Haftstrafe wegen Raubes.

Billiges Baumarkt-Sägeblatt hatte gehärtetes Gefängnis-Gitter durchtrennt

Laut Urteil sägte er heimlich mit einem 5,99 Euro teuren Sägeblatt eine Stange des angeblich aus besonders gehärtetem Stahl gefertigten Gitters durch. In der Nacht zum 9. Juli, die deutsche Elf hatte gerade die Fußball-WM gewonnen, schlüpfte er durch ein 35,5 Zentimeter hohes Loch, das oben 13,1 Zentimeter und unten 22,3 Zentimeter maß, durchs Fenster auf den Gefängnishof. An der Mauer erwarteten ihn dann Helfer mit der Leiter.

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht. Staatsanwalt Lukas Kapica hatte zum Teil höhere Strafen gefordert. Er zeigte sich in seinem Plädoyer auch überzeugt, dass es unter den Zellengenossen eine Absprache gegeben hatte. Für Egon L. hatte er deshalb wegen Gefangenenmeuterei und Sachbeschädigung zwei Jahre Haft ohne Bewährung gefordert. Nach der Flucht hatte es geheißen, der Mithäftling sei nur deshalb nicht entkommen, weil er für das kleine Loch im Gitter zu dick war.