Gelsenkirchen. . Wie klingt eigentlich Arbeit? So: Am Consol Theater erlebte am Freitagabend die „Symphonie der Arbeit“ von Michael Gees ihre Uraufführung

Gelsenkirchen – ist das nicht die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote? Dieses Image hält sich hartnäckig in anderen Teilen des Landes. Vielleicht war es genau dieses Denken, das den international gefragten Komponisten und Pianisten Michael Gees dazu bewogen hat, sich mit dem Thema Arbeit eingehender zu beschäftigen.

So entstand sein Traum von einer „Symphonie der Arbeit“, Gees fragte offen: Was wäre, wenn Arbeit Musik wäre? Und wie würde das klingen? Mit dieser Idee im Kopf lud er Bürger unterschiedlicher Generationen und Theatergruppen des Consol Theaters ein, mit ihm zusammen diese Symphonie der Arbeit zu komponieren. Der Fonds Soziokultur und die Robert-Voigt-Stiftung fanden das Projekt so spannend, dass sie Unterstützung zusicherten.

Schreibmaschinen rattern

Über Monate wurden dann im Consol Theater Geräusche und Klänge zusammengetragen: Das Klappern alter Schreibmaschinen, das laute Ratschen, wenn der Hebel der Papierschneidemaschine heruntergedrückt wird. Das Klirren der Teller, die beim Abtrocknen aufeinander gestapelt werden, das Kratzen beim Mixen von Zutaten im Topf oder das leise Murmeln von Telefonistinnen und von Menschen, die versuchen, Texte auswendig zu lernen.

Wochenlang wurde dann gesiebt und editiert, bis eine imposante Klangsammlung zusammengetragen war. Am Freitagabend lud Michael Gees gemeinsam mit Gabriele Czeschinski, Mayra Capovilla, Georg Kentrup, André Wülfing, Melody Reich und Ulrike Czermak vom Consol Theater zur Uraufführung in die Bismarckstraße 240: In Kleingruppen wurden die Besucher zunächst durch das Theaterhaus geführt, um an vier verschiedenen Stationen ganz unterschiedlichen Menschen und „ihren“ Arbeitsklängen zu lauschen.

Handys dudeln

Da ließen Senioren die Schreibmaschinen rattern, Jugendliche von den „Consol Teens“ arbeiteten an ihrer Figur oder klimperten versonnen auf einem Synthesizer herum, während ihre Handys im Hintergrund dudelten.

Kinder der „Consol kids maximal“-Truppe spielten lautstark Karten, auch mal traurig oder aggressiv. Und „Die Bucheckern“, die sonst am Consol Theater als Vorleser agieren, taten hier auch genau das – sie trugen leise Gedichte vor. Alle durcheinander. Da raschelten Blätter, wurden Stimmen geräuspert und ein leichtes Murmeln ging durch den Saal.

Ausschnitte aus diesen gesammelten Geräuschen hatte Michael Gees mit seinem Team zu einer Komposition zusammengefügt, die nach einer kurzen Pause im Consol Theater ihre Uraufführung erfuhr: In den fünf Sätzen „Einstimmung“, „Mühsal“, Kinderszenen“, „Adagio con sentimento“ und „Finale furioso“ durchlebten die Zuhörer ein Wechselbad der Gefühle: Während zu Beginn alle gleichzeitig ihre Geräusche in den Klangteppich webten, den Michael Gees am Klavier zusammen mit Andreas Fröhling und dem Ensemble Zukunftsmusik ausrollte, wurde die Geräuschkulisse im Verlauf der Symphonie immer geordneter und harmonischer.

Der Gesang dominiert

Im großen Finale überstimmte gar der Gesang aller Mitwirkenden die störenden Arbeitsgeräusche. Ein Fazit gab Michael Gees Publikum und Mitwirkenden gleichermaßen mit auf den Weg: „Arbeitslosigkeit gibt es nicht. Im Gegenteil. Unendlich vieles ist zu tun: Füreinander und für die Welt, in der wir leben wollen“, schrieb der Komponist in das Programmheft.

Die unterschwellige Nachricht des Konzertabends: Vieles geht leichter mit einem Lied auf den Lippen. Einfach mal ausprobieren.

Tipp zur Extraschicht

Übrigens wird die „Symphonie der Arbeit“ im Consol Theater Gelsenkirchen auch während der Langen Nacht der Industriekultur „Extraschicht“ 2015 am Samstag, 20. Juni, erklingen: jeweils um 18:30 | 19:30 | 20:30 | 21:30 | 22:30 Uhr für circa 25 Minuten. Mehr Info auf www.extraschicht.de