Gelsenkirchen. . Sie haben sich über 60 Jahre nicht aus den Augen verloren, die 14 Lausbuben der Schulabgangsklasse von 1955 aus der Gelsenkirchener Neustadt. Trotz Umzügen.

„Ich will nicht in der Ecke stehen, da war ich oft genug“, schmunzelt der ältere Herr, als es ums Aufstellen zum Gruppenfoto geht. Vierzehn „Gelsenkirchener Jungs“ der Jahrgänge 1939 bis 1941 feiern am Samstag in der Gaststätte Löken ein rundes Klassentreffen – vor genau 60 Jahren haben sie gemeinsam die ehemalige Augustinusschule in der Neustadt mit dem bestandenen Abschlusszeugnis der Volksschule verlassen. 1955 war in der Ecke stehen ein gängiges Mittel, um Schüler zu bestrafen. „Das war aber harmlos, es gab auch noch den Rohrstock auf die Finger“, erinnert sich Hermann Kammann. Der Maschinenbautechniker im Ruhestand organisiert alljährlich die Treffen im März.

Die Mittelschule war den meisten Familien damals zu teuer

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„Ganz klassisch, mit einer Postkarte“, lacht er. Einen ganzen Stapel hat er davon in der Schublade. „Da brauch ich nur das neue Datum einfügen, fertig“. Nicht alle Schulabgänger sind in Gelsenkirchen geblieben, es hat sie u.a. nach Warendorf, Frechen, Dorsten-Rhade verschlagen hat. Heinz Meulenberg wohnt seit Jahrzehnten in Lingen an der Ems. „Aber einmal im Jahr meinen besten Freund der Schulzeit Gerd Weiher wiederzusehen, ist mir wichtig“. Seit der Einschulung 1947 waren die beiden für acht Jahre unzertrennlich. „Damals begann das Schuljahr immer zu Ostern. Darum auch im März unser Abschluss.“

Blau-weiße Liebe mit ins Emsland genommen

Dass Gerd Weiher bis zur achten Klasse auf der Volksschule blieb hatte übrigens, wie bei vielen in der Nachkriegszeit, ökonomische Gründe. „Die Mittelschule kostete 10 Mark im Monat, das Gymnasium noch mehr. Meine Mutter hatte nur 70 Mark im Monat zum Leben für mich und meine zwei Brüder“, erinnert sich Weiher. Also gingen die meisten in die kostenlose Volksschule. Ihr Leben haben alle voller Tatenkraft in die Hand genommen. „Stahlbauer, Bergmann oder Maurer – das waren die Berufe. Wir brauchten keinen Selbstfindungskurs“, lacht Kammann.

Viele haben sich später weitergebildet. Meulenberg hat in den 60er Jahren seinen Industriemeister gemacht. „Da hatte ich dann auch die mittlere Reife“, sagt der eingefleischte Schalke-Fan. „Die blau-weiße Liebe habe ich ins Emsland mitgenommen, Schwiegersohn und Enkel angesteckt“. Und schon ist man bei der gemeinsamen Zeit beim DJK Schwarz-Weiß Neustadt: „Wir waren eine gute Truppe.“ Zum Tanzen ging man zu Lekkebusch in der Josefstraße, erinnern sich die Herren. Ihre Augen blitzen dabei lausbübisch.