Gelsenkirchen. Zu Besuch auf der Baustelle am Nordsternpark in Gelsenkirchen. Täglich werden projektweit zwei Millionen Euro verbaut. Die Arbeiten kommen gut voran.
Es rumpelt gewaltig und der Bretterboden unter den Gummistiefeln zittert. Die Grubenlok schiebt eine randvolle Lore mit hellgrauem, nassem Emschermergel vor sich her. Hunderte Meter hat sie hinter sich, ehe am Ende des Tunnels wieder Tageslicht auf sie fällt. Hier am Bauschacht Nordsternpark wartet ein Portalkran mit 50 Tonnen Tragkraft auf den Gesteinsmatsch aus 20 Metern Tiefe.
„Wir liegen voll im Zeit- und Kostenplan“, stellt Wulf Himmel mit Blick auf das emsige Treiben in und um die Baugrube zufrieden fest. „In Kürze werden wir die Emscher unterqueren.“ Der 45-Jährige ist Projektleiter bei der Emschergenossenschaft, als Bauingenieur betreut er das Jahrhundertprojekt Emscherumbau. Ziel: ein neues Emschertal – sauberes Fluss- und Regenwasser in der renaturierten Emscher, das stinkende und schädliche Abwasser in einem Kanal tief darunter in der Erde.
Vortrieb liegt aktuell bei 800 Metern
Es ächzt leise, dann schieben sich baumdicke Stahlzylinder millimeterweise nach vorne. Und mit ihnen ein rund 40 Tonnen schweres, armiertes und erstaunlich glatte Betonrohr. Innendurchmesser: stattliche 2,8 Meter. Das und hunderte weitere füllen das kreisrunden Loch auf, das aktuell 800 Meter weiter vorn ein 150-Tonnen-Ungetüm mit einem monströsen rotierenden Schneidrad in den Gelsenkirchener Untergrund frisst.
Durch diese Rohre fließt künftig das Abwasser mit einer Geschwindigkeit von vier Kilometern in der Stunde. Der Kanal trennt dann endlich, was nicht zusammen gehört. 2020 soll es komplett soweit sein – auf einer Strecke von 51 Kilometern von Dortmund bis nach Dinslaken. „Hier in Abschnitt 30“, sagt Wulf Himmel, „ haben wir es mit dem flächenmäßig größten Teil des Umbauprojekt zu tun.“ Gewaltig ist auch der Kostenrahmen für den dreiteiligen, 35 Kilometer langen Abschnitt: „423 Millionen Euro, täglich verbaut werden im gesamten Emschergebiet zwei Millionen Euro.“
Hemnis und Hilfe zugleich
Zwischen 15 bis 20 Meter pro Tag schiebt sich die Kanalröhre durch das Gestein. Wobei der Emschermergel widerborstiges Hemmnis und Hilfe zugleich ist. Diese Schicht ist so unnachgiebig, dass die Betonrohre ohne zusätzliche Führungen oder Halterungen auskommen und der Kanal am Nordsternpark komplett am Stück vorgeschoben wird – die Toleranz liegt bei ein bis zwei Zentimetern Abweichung. Im Gegenzug braucht Tunnelbohrmaschine Isabel, eine stählerne Wuchtbrumme von zwölf Metern Länge, eben etwas Zeit, sich durchzuwühlen. Und die Hydraulikpressen umso mehr Kraft, die Abwasserröhren voranzudrücken. Um sich das vorzustellen: Der Druck der Pressen, 1200 Tonnen, entspricht der gebündelten Kraft von 30 Lastwagen.
Isabels Hinterlassenschaft übrigens, der Mergel, wird größtenteils nicht weiterverwertet. Er wandert auf Halden, in Kiesgruben oder für Geländeauffüllungen in die Niederlande. Ungesichert ist, ob die Holländer damit eigene (Ski-)Berge aufschütten, gar als Alternative zum Sauerland . . .