Gelsenkirchen. . Die Kunst hat wieder Einzug gehalten in den Gelsenkirchener Halfmannshof. Tosca Schobelt baut in ihrem Atelier Gitarren und restauriert Geigen.
Hier hängt der Himmel voller Geigen und in der Luft liegt Musik. Auf dem Halfmannshof erwacht neues künstlerisches Leben. Ein zartes Pflänzchen erblüht an einem Ort, der zurzeit noch eine gigantische Baustelle ist. Bekanntlich verwandelt die Gelsenkirchener gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft, die GGW, Deutschlands älteste Künstlersiedlung in ein viel diskutiertes Kreativquartier. Inzwischen haben die ersten jungen Künstler das Quartier in Ückendorf bezogen.
Tosca Schobelt setzt den Hobel an. Aus einem schlichten Stück Fichtenholz wird sie den eleganten Körper eines Violoncellos formen. Die 32-jährige gebürtige Kölnerin ist Zupfinstrumentenmacherin und absolviert zurzeit eine Ausbildung zur Geigenbauerin in Essen. In den Halfmannshof verliebte sie sich gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Gesangsstudenten Valentin Zaun (23), auf Anhieb: „Die Räume sind toll und es ist schön, mit anderen Künstlern zusammen zu wohnen.“ Seit Ende September sind die beiden zu Hause in der Alten Schmiede und bewohnen eine gut 70 Quadratmeter große Erdgeschosswohnung. Eine Mischung aus Werkstatt, Gesangsstudio und Wohnraum.
Exemplare hängen in Reih und Glied unter der Decke
Während Zaun an der Folkwang Hochschule in Essen-Werden Operngesang studiert und als Handzuginstrumentenmacher ab und zu Harmonikas repariert, hobelt, feilt und schnitzt Tosca Schobelt an Saiteninstrumenten.
Halbfertige Exemplare hängen in Reih und Glied unter der Decke, Gitarren, Mandolinen, Geigen, ein portugiesisches Fado-Instrument. „Gelernt habe ich das Cello-Spiel, das war von Anfang an mein Lieblingsinstrument. Alle andere Instrumente spiele ich nur leidlich“, sagt die Instrumentenmacherin mit dem höchst musikalischen Namen und untertreibt. Denn Gitarre kann sie natürlich auch, begleitet gerne ihren Gesang damit. Und Geigenunterricht nimmt sie inzwischen auch, denn wer ein Instrument baut oder repariert, muss auch um die intime Kunst seines Klangs wissen.
Geigenbau lernte Schobelt in einer Essener Werkstatt
Den Umgang mit Säge, Zange, Hobel und Feile, das Schnitzen von feinsten Stegen und Schnecken studierte sie in Klingenthal im sächsischen Vogtland, neben Mittenwald die einzige Schule für den Zupfinstrumentenbau: „Eine ganz eigene Welt, die mich drei Jahre lang geprägt hat.“ Hier hat sie es lieben gelernt, „mit den eigenen Händen aus einem Batzen Holz ein Instrument entstehen zu lassen“. Eine Gitarre oder eine Geige, die in Hunderten von Stunden in grober und feinster Handarbeit entstanden ist, abzugeben und zu sehen, wie glücklich der neue Besitzer ist, wenn er das gute Stück erstmals erklingen lässt: „Das sind die schönsten Momente in meinen Beruf, das ist das pure, bewegende Glück, und genau darum liebe ich diese Arbeit so sehr.“
Auf dem Halfmannshof warten inzwischen auch einige alte, beschädigte Instrumente darauf, wieder spielfit gemacht zu werden. Den Geigenbau lernt Tosca Schobelt in einer Essener Werkstatt, bespannt kunstvoll die ersten Bögen. Der Korpus ihres eigenen Cellos ist bereits perfekt, ihn zieren besonders aufwendige Details.
Ihr Wunsch für die Zukunft ist ein vergleichsweise bescheidener: Leben und arbeiten auf dem Halfmannshof in Gelsenkirchen und als selbstständige Geigenbauerin ein Auskommen haben.