Gelsenkirchen. Vor 115 Jahren wurde die Emschergenossenschaft gegründet, um das Absaufen der Region zu stoppen. Die Emscher kam samt Abwasser ins Beton-Bett. Bis 2020 läuft nun der Rückbau des Flussystems zum Gewässer.

Eigentlich ist das Emschergebiet historisch gesehen eine Dauerbaustelle. Kaum eine Region im Land, in die der Mensch so nachhaltig eingegriffen hat wie hier beim Emscherumbau. Aktuell wird dem kanalisierten Fluss ein Stück Ursprünglichkeit zurück gegeben, werden die Emscher und in ihre Zuläufe vom Abwasser befreit. Ein Milliardenprojekt.

Genau in Gegenrichtung machte sich die Region vor 115 Jahren auf: Am 14. Dezember 1899 wurde die Emschergenossenschaft als Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband gegründet. Es war eine Zwangsentscheidung, die aber das Überleben dieser Region sichern sollte – sie wäre sonst abgesoffen. Der Bergbau, die Schwer-Industrie und Millionen Menschen mit ihren Abwässern erforderten damals gezieltes Handeln.

Typhus und Cholera breiten sich aus

Im Bochumer Ständehaus schlossen sich vor 115 Jahren die damaligen Stadt- und Landkreise des Ruhrgebietes zwischen Dortmund und Duisburg zur Emschergenossenschaft zusammen. Eine federführende Rolle bei der Gründung übernahm der Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert, der sich das „Emscherregulierungsprojekt“ auf seine Fahnen schrieb. Repräsentanten der großen Bergwerksgesellschaften wie Hibernia oder der Gelsenkirchener Bergwerks AG waren ebenfalls unter den Gründungsmitgliedern.

Der Zusammenschluss zur Emschergenossenschaft wurde staatlich verordnet, nachdem die Einzelstädte die Wasserführung nicht in den Griff bekommen hatten. Das Problem: Während man andernorts Kanäle gebaut hätte, um das Abwasser von Industriebetrieben und wachsender Bevölkerung abzuleiten, „war dies Ende des 19. Jahrhunderts an der Emscher aufgrund des Kohleabbaus nicht möglich. Wegen der Bergsenkungen wären unterirdische Abwasserkanäle beschädigt worden. Also wurde alles Schmutzwasser in die Emscher eingeleitet.

Doch schon bald war dieses eigenwillige und durch ein ohnehin schwaches Gefälle gekennzeichnete Flusssystem völlig überfordert und uferte immer wieder aus. Ganze Stadtteile standen nahezu ständig unter Wasser, aufgrund der Fäkalien im Wasser breiteten sich auch Krankheiten wie Typhus und Cholera schnell aus“, erklärt Emschergenossenschafts-Sprecher Ilias Abawi die Ausgangslage.

Kirchturmdenken in den Rathäusern überwunden

Sie führte dazu, Kirchturmsdenken in den Rathäusern zu überwinden und gemeinsam das Flusssystem umzubauen. Zunächst galt es, die Abwassermassen in den Griff zu bekommen. Das Emschersystem wurde zu einem Netz offener Schmutzwasserläufe umgebaut und in ein Betonkorsett gezwängt. Deiche wurden errichtet und Pumpwerke gebaut, Nebengewässer wie der Schwarzbach oder der Sellmannsbach wurden zu „Köttelbecken“ degradiert. In sechs Jahren soll das Geschichte sein – und die Emscher wieder ohne Abwasser fließen. Das verschwindet im AKE, im 51 Kilometer langen Abwasserkanal Emscher. Auch unter Gelsenkirchen.