Gelsenkirchen. . Gelsenkirchen hat eine Vorreiterrolle beim Thema „Religiöse Bildung in städtischen Tageseinrichtungen“.

Städtische Kindergärten und religiöse Bildung – das schloss sich über Jahre aus. Glaubensfragen wurden bewusst oder unbewusst ausgeklammert, zu groß waren die Zweifel oder Unsicherheiten beim städtischen, weltanschaulich neutralen Träger.

2007 wurde das Religions-Tabu in Gelsenkirchen gebrochen. Auf Initiative des Kirchenkreises Gelsenkirchen und Wattenscheid ließ sich die Stadt für das Projekt „Religiöse Bildung“ in den Tageseinrichtungen gewinnen. Seitdem ist sie ein wichtiger Bestandteil des Kindergartenalltags.

Zwölf städtische Kitas haben sich an dem Modellprojekt beteiligt. Die Erkenntnisse und Erfahrungen, die über sechs Jahre zusammengetragen wurden, sind in einer Dokumentation festgehalten. Am Freitag wurde sie vorgestellt.

Friedlich und achtsam

Bildungsdezernent Dr. Manfred Beck räumte ein, dass er das Projekt aufgrund des hohen Anteils muslimischer Bevölkerung in Gelsenkirchen anfangs „mit Skepsis betrachtet“ habe. Heute bezeichne er es als „erfolgreich“, denn „Fragen des Glaubens werden immer an die Erzieher herangetragen“.

Keine neue Erkenntnis: Die Bevölkerungsstruktur in Gelsenkirchen hat sich stark gewandelt. „Vor drei, vier Jahrzehnten waren die damals 80 städtischen Kitas eine migrantenfreie Zone“, erinnert Alfons Wissmann, Leiter von GeKita. „Heute hat jedes zweite Kind eine Migrationsgeschichte.“

Superintendent Rüdiger Höcker sieht das Modellprojekt als eine Chance – für den Staat, für die Kinder, nicht zuletzt für die Kirche. Integration und Toleranz gehörten zu den wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. „Die Dokumentation ist das Ergebnis, wie es gelingen kann, in einer multi-kulturellen Gesellschaft friedlich und achtsam zusammen zu leben.“

Erzieherinnen und Eltern sind vom Modellprojekt überzeugt

Möglichst früh, schon im Vorschulalter, sollten Kinder deshalb andere Kulturen und Religionen wahrnehmen, fremde Gewohnheiten und Rituale kennenlernen, finden Kindergarteneltern. „Ich finde es gut, dass wir das Martinsfest und das Zuckerfest feiern und dass wir es gemeinsam tun“, so Kindergartenvater Stefan Bungardt. Auch bei den Erzieherinnen gibt das Projekt Antworten auf Fragen: Darf ich die Krippe aufstellen? Ja, heute dürfe man, so Holle Weiß (GeKita). Für die Erzieherinnen heißt das: Sie machen Religion erfahrbar durch den Besuch von Kirche und Moschee, durch Feste wie Zuckerfest und Nikolaus.

Dr. Beck sieht die religiöse Bildung in den städtischen Kitas als positive Ressource, auch vor dem Hintergrund der Radikalisierung junger Muslime. „Wir haben radikalen Kräften über Jahre in die Hände gespielt und in die Moscheen abgeschoben.“