Gelsenkirchen-Buer. .

Frauen auf dem Chefsessel? Sind selbst in der freien Wirtschaft noch selten. Aber in der katholischen Kirche? Wer sich nun verwundert die Augen reibt, kann die Zeichen des Umbruchs (auch) in Buer besichtigen. Lucia van den Boom (54) hat gerade den erkrankten Pastor Michael Fey in der Leitung von St. Ludgerus abgelöst. Und sich vorgenommen, die 5000-Seelen-Gemeinde „gerade als Frau“ zu führen, sprich: „geschwisterlich“ miteinander umzugehen.

„Mir ist jeder Dienst gleich wichtig, ob jemand Priester, Hausmeister oder Sekretärin ist. Das sollen die Menschen spüren“, umschreibt sie ihr Ziel, an einer „geschwisterlichen Kirche“ mitzuwirken. Ihrer Pionierrolle – sie ist die erste Frau an der Spitze von St. Ludgerus – ist sie sich durchaus bewusst. „Ich fühle mich schon ein bisschen beobachtet und spüre einen gewissen Erfolgsdruck; so möchte ich meine Arbeit nicht nur gut, sondern sehr gut erledigen. Aber ich habe auch einen tollen Rückhalt in der Gemeinde und bei den Hauptamtlichen der Pfarrei. Da kann nichts mehr schief gehen“, sagt sie lachend in Erinnerung an die herzlichen Glückwünsche zur Amtseinführung am Sonntag.

Homosexuelle nicht abweisen

Übernimmt die Leitung der Gemeinde von Pastor Michael Fey: Lucia van den Boom (54), neue Gemeindereferentin mit Koordinierungsaufgaben in St. Ludgerus Buer.
Übernimmt die Leitung der Gemeinde von Pastor Michael Fey: Lucia van den Boom (54), neue Gemeindereferentin mit Koordinierungsaufgaben in St. Ludgerus Buer. © WAZ FotoPool

Ob Frauen anders Seelsorge betreiben, beerdigen, Wort-Gottesdienste leiten, kirchliche Vereine und Gruppen betreuen als Männer? Die Wattenscheiderin überlegt etwas, bevor sie ganz allgemein auf die Lebensgeschichte von Laien verweist. „Laien, die Ehe und Kinder hautnah erlebt haben, sind vielleicht in einem gewissen Vorteil gegenüber Priestern. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute sich dann in ihren Sorgen und in ihrem Leid besonders gut verstanden fühlen.“

Dass das Leben kein Wunschkonzert ist, weiß sie selbst aus eigener Erfahrung nur zu gut. „Als alleinerziehende, geschiedene Mutter von drei Kindern hatte ich es nicht immer leicht. Aber ich habe selbst erlebt, dass Kirche ein Ort ist, wo man scheitern und neu anfangen kann.“ Insofern käme es ihr selbst nie in den Sinn, etwa wiederverheiratet Geschiedene oder Homosexuelle abzuweisen. „Ich möchte Menschen stärken und begleiten, wenn sie Kontakt zu Gott halten wollen. Deshalb lade ich auch wirklich alle Interessierten in der Gemeinde ein, mit mir Verantwortung zu übernehmen.“

Gläubige kennenlernen

Sie selbst will nun die Gläubigen erst einmal näher kennenlernen – Straße für Straße, in Form von Hausbesuchen; eben auf Augenhöhe: nicht nur predigen, sondern zuhören. „Auch wenn nicht alle Gemeindemitglieder in die Kirche kommen, möchte ich ihnen zeigen, dass ich an ihnen interessiert bin; ihr Anliegen ist mein Anliegen.“ Und sonst? „Sehe ich gerne durch eine rosarote Brille und träume. Etwa von Liturgienächten speziell für Menschen ab 50, von Gottesdiensten für Verliebte oder Wellnesstagen für Frauen, gerne auch in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Gemeinde. Mal sehen...“