Gelsenkirchen-Buer. Zwei Straßenbahnliebhaber, Ralph Bernatz und Klaus Giesen, beschreiben die wechselvolle Geschichte der Linie „10“, die über Buer zwischen Recklinghausen und Osterfeld verkehrte. Ihr Buch ist jetzt heraus gekommen.

Der Fortschritt ist manchmal eine Schnecke mit Rückwärtsgang: Wer heute von Recklinghausen Hbf über Buer, Gladbeck und Bottrop nach Oberhausen-Osterfeld den Bus benutzt, muss mehrfach umsteigen und ist zwei Stunden und vier Minuten unterwegs. Das ging auch schon mal schneller - mit der durchgehenden Straßenbahnlinie 10. Sie brauchte für 35 Kilometer nur 104 Minuten. Die wechselvolle Geschichte dieser wichtigen Städteverbindung beschreiben Ralph Bernatz (Herten) und Klaus Giesen (Bottrop) in ihrem Buch „Die Zehn - Mit der Straßenbahn von Ost nach West quer durch das Vest“.

Tram-Paradies Ruhrgebiet

Der eine - Ralph Bernatz - war Eisenbahner von Beruf, hat sich seit Kindertagen in Wiesbaden für Straßenbahnen interessiert und fand sich in einem Tram-Paradies, als die Familie ins Ruhrgebiet übersiedelte. Der andere - Klaus Giesen - wurde direkt neben der Schiene geboren, an der Gladbecker Straße unweit des Eigener Marktes in Bottrop, wo sich immer die entgegen kommenden Wagen der „10“ trafen. Bernatz erläutert die hohen Bedeutung dieser Verbindung: „Anfang der 1920er Jahre gab es Pläne für eine Schnellstraßenbahn, die von Waltrop über Recklinghausen nach Osterfeld führen sollte.“ Obwohl nie verwirklicht, deckte die „10“ immerhin wichtige Streckenabschnitte ab. Auffällig ist: Die Straßenbahn verläuft parallel zur Eisenbahnverbindung Hamm - Osterfeld. „Aber deren Bahnhöfe lagen meist abseits der Stadtzentren, so dass die Straßenbahn keine Konkurrenz zur Eisenbahn darstellte“, so Bernatz.

Umsteigen in Gladbeck entfällt

Ein wichtiger Tag in der Geschichte der „10“ ist der 20. Oktober 1957: Von da an konnten die Straßenbahnen in Gladbeck-Ost den Bahnübergang überqueren. So entfiel das lästige Umsteigen und das West- und Ost-Netz der Vestischen Straßenbahnen - bestehend aus insgesamt 20 Linien - konnte zusammenwachsen. In einer „virtuellen“ Straßenbahnfahrt beschreiben die beiden Autoren die einzelnen Abschnitte dieser Städteverbindung, die zeitweise sogar bis Marl-Sinsen reichte. Ein wichtiger Knotenpunkt war die Haltestelle Buer Rathaus, eben dort, wo jetzt die Linie 302 der Bogestra endet. Die Wagen der Vestischen kamen aus Richtung Herten, fuhren in Resse über die Hertener Straße und Ressestraße zur Goldbergstraße, wo sie rechts in die De-la-Chevallerie-Straße abbogen. Vorbei an der Post ging es weiter Richtung Gladbeck.

Mit Stadtbahn-Qualität

Auch wenn es zwischendurch einige eingleisige Streckenabschnitte gab: „Die Linie hatte Stadtbahn-Qualität, die Wagen waren teilweise mit Tempo 60/70 unterwegs“, so Bernatz. Die Straßenbahnen verkehrten im 30-Minuten-Takt, Parallel-Linien sorgten auf Teilabschnitten sogar für einen 15-Minuten-Takt. Das Aus für die Linie „10“ kam Anfang der 1970er Jahre, die letzte Fahrt fand am 30. Mai 1981 statt - ganz „ohne besondere Feierlichkeiten“. Da war die Mammut-Strecke längst zurecht gestutzt und nur noch auf den Abschnitt Herten - Recklinghausen beschränkt.