Lärmgeplagte Anlieger aus Westerholt haben möglicherweise ein weit reichendes Urteil am Landgericht Bochum erstritten: Danach ist die Bahn AG verpflichtet, für die Kosten von passivem Lärmschutz aufzukommen - auch auf Strecken des Bestands.

Gelsenkirchen-Buer/Westerholt. Die Anlieger der Krefelder Straße, Barntruper Straße, Lemgoer Straße und des Denneborgswegs in Scholven und in Bülse blicken als unmittelbare Nachbarn der viel befahrenen Güterzugstrecke Hamm - Osterfeld mit Interesse nach Westerholt: Die dort ansässige Interessengemeinschaft Bahnlärmschutz hat jetzt vor dem Landgericht Bochum einen ersten Erfolg gegen die Deutsche Bahn AG erstritten. Als Netzbetreiber muss das Unternehmen die Kosten für gegenwärtige und zukünftige passive Schallschutzmaßnahmen übernehmen. Nach Auffassung von Rechtsanwalt Matthias Möller-Meinecke, der die Bürgerinitiative vertritt, hat das Urteil weit reichende Auswirkungen. Denn der Rechtsanspruch beziehe sich nicht nur auf neue, sondern ausdrücklich auch auf Strecken im Bestand der DB AG.

Einen Anspruch auf Kostenerstattung von Schallschutzmaßnahmen haben nach Auffassung von Möller-Meinecke nicht nur die Anwohner, deren Grundstücke direkt an die Bahnlinie grenzen, sondern auch jene, die in einem Korridor von rund 300 Metern beiderseits der Strecke wohnen.

Euphorie: Ja, aber...

Das Engagement von Manfred Kitschke hat sich also gelohnt. Der Westerholter, der die Interessengemeinschaft ins Leben gerufen hat, kämpft seit sechs Jahren gegen den Lärm, den die Güterzüge vor seiner Haustür verursachen. Der juristische Erfolg habe bei ihm und seinen Mitstreitern im ersten Moment Euphorie ausgelöst, inzwischen kommentiert er die Bochumer Entscheidung mit einem deutlichen „Ja, aber...“. „Die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor, das Urteil hat somit noch keine Rechtskraft. Zudem besteht die Möglichkeit, Berufung vor dem Oberlandesgericht einzulegen. Das Verfahren könnte also noch weitergehen“, zählt er die Punkte auf, die den anfänglichen Optimismus der sechs Musterkläger eintrüben.

Abgewiesen hat das Gericht offenbar die Forderung nach einem aktiven Lärmschutz. Dabei gehe es um Maßnahmen, die die Vibrationen beim Durchfahren der Güterzüge reduzieren. Kitschke: „Dieses Ausmaß liegt angeblich unterhalb des Grenzwertes.“ Und auch das Thema Geschwindigkeitsreduzierung sei von den Richtern nicht aufgegriffen worden. „Mit Tempo 30 km/h würden die Züge nachts die Grenzwerte einhalten“, erläutert Rechtsanwalt Möller-Meinecke das Ziel der Westerholter Kläger, das sie in dem Berufungsverfahren nicht aus den Augen verlieren wollen.

Bahn: Keine Stellungnahme

Dass die Bahn diesen Schritt gehen wird, davon ist zumindest die Interessengemeinschaft überzeugt. Das Unternehmen selbst wollte auf Anfrage der WAZ das Bochumer Urteil und die damit verbundenen finanziellen Auswirkungen nicht kommentieren. Das Urteil habe noch keine Rechtskraft, hieß es gestern in der NRW-Zentrale der DB AG. AZ:I - 6 O 443/09