Gelsenkirchen-Horst. .
Jetzt stehe ich da - im gelben Startblock für die Halbmarathon-Läufer am Musiktheater. „Ihr seid der Stimmungsblock“, ruft der Moderator ins Mikrofon. Das heißt: Hände hoch und mitwippen zu der Musik, die aus den Boxen schallt. Der Countdown läuft: in zehn, neun, acht Sekunden beginne ich meinen ersten Halbmarathon.
Eine große Gruppe schiebt sich über die Startlinie, und nach wenigen Minuten beginnt es zu regnen. Ich beneide Sebastian, mit dem ich die Strecke so weit wie möglich gemeinsam bestreiten will, um seine Jacke. Knapp fünf Wochen hatte ich, um mich vorzubereiten. Nicht viel, aber das muss reichen. Eigentlich sogar zu wenig. Die ersten Kilometer laufen wunderbar. Es macht Spaß, mit so vielen Gleichgesinnten auf der Bahn zu sein - statt allein Runden zu drehen.
Wenige Minuten später sind wir in Essen, die erste Versorgungsstation wartet. „Wasser, Bananen, nur für euch geschält“, rufen die Helfer. Ich passe, Trinken scheint mir suspekt, während ich mit rund zehn Stundenkilometern unterwegs bin. Stattdessen beobachte ich Sebastian, der die Hälfte des Getränks ins Gesicht bekommt. „Hätte man vorher vielleicht mal üben sollen“, befinden wir. Kurz vor der Zeche Zollverein kommen mir schnellere Läufer entgegen. Ich halte Ausschau nach bekannten Gesichtern, entdecke niemanden. Die Kulisse aber ist wirklich sehenswert, Partyhits dröhnen und ein Bergmann in voller Tracht treibt die Läufer an. Die Sonne kommt heraus - gut, dass ich keine Jacke anhabe... Fast Halbzeit beim Lauf. „Haltet durch, im Ziel gibt’s Bier“, motivieren zwei Kinder die Läufer an Kilometer 10 mit einem Banner.
Hier ist die Stimmung ausgesprochen gut, und es gibt das „letzte Wasser vor der Stadtgrenze“. Von Essen führt die Route nach Bottrop, und das folgende Stück ist quälend. Die alte Eisenbahntrasse ist ein langweiliger Trichter, links und rechts Grün, keine Kurve in Sicht. Wenig später folgt die Erlösung in Form des Kanals, ein angenehmer Wind weht und kühlt ab. Ich fühle mich immer noch fit, angepeitscht von den Zuschauern im Nordsternpark, und drücke aufs Tempo. Übermütig mache ich mit, wenn das Publikum eine Welle anstimmt. „So einen Lauf machst du auf jeden Fall noch mal“, denke ich mir in diesem Augenblick.
Die Ernüchterung kommt bei Kilometer 18. Fast geschafft, doch die Hans-Böckler-Allee scheint nicht zu enden. Du. Darfst. Nicht. Aufhören. Wenig elegant schiebe ich mich Meter um Meter nach vorne, die Oberschenkel schmerzen. „Wenn du danach nicht hinüber bist, hast du nicht alles gegeben“, hat ein Freund vorher gesagt. Das Ziel kommt näher, noch einmal bergauf. Der letzte Kilometer ist länger als 1000 Meter, bin ich mir sicher. Bei 2:03:29 Stunden bleibt die Uhr für mich stehen. Und ich bin hinüber.