Gelsenkirchen-Schalke. Schalke ohne S 04? Undenkbar! Und Schalke ohne Friedrich Grillo? Gäbe es in der heutigen Form nicht. „Es war der Essener Unternehmensgründer, der das unbedeutende Bauerndorf in ein boomendes Zentrum der Montanindustrie verwandelte“, stellt Dr. Daniel Schmidt vom Institut für Stadtgeschichte (ISG) klar. Der Historiker hat sich für die Serie „StadtGEschichte – ganz persönlich“ von WAZ und ISG auf die Spur des Begründers der Schalker Industrie geheftet. Entdeckt hat er einen rastlosen, fast schon genialen Unternehmensvisionär, der das Leben im Stadtteil nicht nur wirtschaftlich umwälzte, sondern auch sozial und kulturell auf Jahrzehnte prägte.

Jung, wohlhabend, ehrgeizig: So müssen die Zeitgenossen Friedrich Grillo (1825-1888) erlebt haben, als er 1848, im Alter von 23 Jahren, das Geschäft seines Vaters – eines Essener Eisenwarenhändlers – übernahm. Als er zwei Jahre später seine Frau Wilhelmine heiratete, konnte er auch von den guten Kontakten seines Schwiegervaters profitieren. Dank dessen Vermittlung gründete Grillo ab 1854 Eisenwerke und Zechen in Essen und investierte so in die Industrie der Zukunft.

Großes Gespür für Gewinnpotenzial

Etwa um 1855, so ISG-Historiker Dr. Schmidt, kam Grillo erstmals in das 300-Seelen-Dorf Schalke, aus dem sein Geschäftspartner Heinrich Mönting stammte. Dort entwickelte er die Idee, die rund 150 m unter der Erde liegende Kohle zu Tage zu fördern. Dass viel Kapital nötig war, um den technischen Aufwand zu finanzieren und die vielen kleineren Grubenfelder in einer Hand zusammenzuführen, hielt Grillo nicht ab – 1863 gründete er in der Gegend des heutigen Schalker Marktes die Zeche Consolidation, deren Vorstandsvorsitzender er bis zu seinem Tod blieb.

„Grillos großes Talent war es, gewinnträchtige Geschäftsmodelle frühzeitig zu erkennen und Kapital für deren Verwirklichung zu sammeln“, würdigt Schmidt den „Pionierunternehmer“ mit der Vision eines ganzen Industrieverbunds. „In rascher Folge gründete er 1866 das Eisenwalzwerk Grillo-Funke, 1868 die Zeche Graf Bismarck, 1869 die Draht- und Hanfseilerei W.H. Grillo, 1870 das Drahtwalzwerk Boecker, 1872 die Schalker Gruben- und Hüttenverein AG, 1872 die Schalker Eisenhütte, 1872 die Aktiengesellschaft für Chemische Industrie, 1873 den Schalker Verein für Kesselfabrikation Orange und 1873 die Glas- und Spiegelmanufactur Schalke“, listet Schmidt die Schachzüge des geschäftstüchtigen Esseners auf.

Letzte Station: Heilanstalt Düsseldorf

Genial waren diese, weil die neuen Unternehmen der Eisen-, Chemie- und Glasindustrie nicht nur die Kohle von Consolidation und Graf Bismarck abnahmen, sondern diese auch die Bergbauunternehmen belieferten.

„Er investierte Geld, kein Herzblut, und zögerte nicht, die Anteile an seinen Gründungen zu veräußern, wenn sich neue, gewinnträchtige Investitionsmöglichkeiten boten. Für langfristige Entwicklungen interessierte sich Grillo kaum“, so Dr. Schmidt.

Dass die Übergänge zwischen Genie und Wahnsinn (manchmal) fließend sind, musste der Unternehmer am eigenen Leib erleben: Grillo hatte im November 1887 angekündigt, der Stadt Essen 500 000 Mark für das heutige Grillo-Theater zu schenken, als er wenige Wochen später in eine Düsseldorfer Heilanstalt eingewiesen wurde. Dort starb er am 16. April 1888. – Er, der Jahrzehnte lang in die Industrien der Zukunft investiert hatte, beschäftigte sich zuletzt mit der Finanzierung seines „Irrenhauses“, wie sein Biograf Tony Kellen 1913 schrieb.