Gelsenkirchen-Hassel. .

Selbstständig und erschöpft oder unselbstständig und fit: Vor diese Wahl gestellt sieht Christiane D. (Name der Red. bekannt) ihre Tochter Luisa (8) jeden Schultag. Die Zweitklässlerin besucht die Förderschule Sprache in der Gecksheide, zu der ein Schulbus fährt – zu einer unzumutbaren Uhrzeit, wie die Mutter kritisiert. Um den Bus zur 1. Stunde zu erwischen, müsste das Mädchen um 5.50 Uhr aufstehen und um 6.53 an der Körner-/Dillbrinkstraße stehen. „Wie sollen die Kinder da noch konzentriert vier bis sechs Unterrichtsstunden folgen?“, fragt sie.

Probleme, den Tag durchzustehen

Wie sie aus Gesprächen mit anderen Eltern weiß, falle es nahezu allen Kindern der (stadtweit einzigen) Förderschule Sprache schwer, so früh in den Tag zu starten und so lange durchzuhalten. „Man darf ja nicht vergessen, dass diese Mädchen und Jungen ohnehin einer besonderen Förderung und Betreuung bedürfen. Luisa wurde mit Fehlbildungen im Mundraum geboren und benötigte bis vor kurzem Sprachtherapie und Krankengymnastik“, so die Hasselerin.

Zur Zeit geht das zart wirkende Mädchen zwar nur noch wöchentlich zur Logopädin, aber auch regelmäßige Besuche beim Augenarzt und Kieferorthopäden müssten untergebracht werden – zusätzlich zu den Hausaufgaben, wohlgemerkt. „Wenn Luisa jetzt zum Kommunionunterricht geht, werden wir den Klavierunterricht wohl streichen müssen, da sie noch drei Operationen mit zusätzlichen Arztterminen vor sich hat.“

Dass es anderen Förderschülern ähnlich gehe, relativiere die Situation nicht. „Viele müssen noch ein-, zweimal pro Woche zur Ergotherapie. Das sind verflixt viele Pflichttermine für so kleine Kinder. Dieses frühe Aufstehen – einige Ückendorfer Schüler müssen gar um 6.30 Uhr den einzigen Bus zur Gecksheide nehmen –, geht über ihre Kräfte hinaus, auch wenn sie abends zeitig ins Bett gehen.“

Die 45-Jährige hat ihre Konsequenz gezogen: Nach dem ersten Schuljahr Buserfahrung bringt sie Luisa nun zur Schule und holt sie wieder ab, wofür sie von der Stadt eine Wegstreckenentschädigung erhält. „Ich bin nicht berufstätig und habe ein Auto. In der Situation sind aber längst nicht alle Eltern“, erklärt sie im Bewusstsein, mehr Schlaf für Luisa um den Preis der Selbstständigkeit zu erkaufen.

Stadt: Mehr Busse nicht finanzierbar

Eine Lösung, regt sie an, könnte der Einsatz von mehr Bussen sein. „Das würde die Dauer von manchmal mehr als einer Stunde Fahrtzeit reduzieren, und die Schüler könnten später aufstehen.“

Dem will Abteilungsleiter Schulbetrieb, Rolf Vonau, gar nicht widersprechen. Allein: „Das lässt sich für eine arme Stadt wie Gelsenkirchen nicht so ohne weiteres finanzieren.“ Das Anliegen der Mutter sei verständlich, „aber wir befinden uns nun einmal in einem Zeit- und Finanzkorsett und können den Schulbeginn nicht nach hinten verschieben, weil die Kinder ja auch am Nachmittag noch Termine haben“. Zudem sei es gesetzlich erlaubt, die Fahrtzeit von einer Stunde pro Fahrt in Ausnahmefällen zu überschreiten.

Vonau regt an, das Thema in der Schulkonferenz, deren Mitglied Christiane D. ist, zu erörtern und eventuell einen entsprechenden Beschluss zu fassen. „Dann müsste sich die Verwaltung damit eingehender beschäftigen.“