Gelsenkirchen-Horst.

Sie sitzt an ihrem runden Tisch in der großzügigen Seniorenwohnung. Vor ihr steht ein Kaffee bereit. Daneben der Aschenbecher. „Zarettchen?“, fragt sie in die Runde. Und dann zündet sie sich eine an. Während sie pafft, rezitiert Doris Minck: „Schmunzeld sah sie sieben Socken; fasste deshalb den Entschluss; seine Sachen selbst sortieren; nächstens der Herr Gatte muss.“

Die meisten ihrer Verse, die sie selbst humorige Reime nennt, kann sie auswendig. Lebendig schiebt sie eins hinter das nächste, lässt eben genug Zeit, über die Pointe zu lachen. Sie ist eine Entertainerin mit dem Charme einer Tana Schanzara. „Nur Schauspielern kann ich nicht so gut“, lacht sie. Doch was sie am heimischen Wohnzimmertisch bietet, reicht da nah dran.

„Voller violetter Veilchen; ist das Haus am Muttertag; vielfach voll verbringen Männer; Veilchen gleich den Vatertag.“ – „Ich bin kein fantasievoller Mensch“, erklärt die 69-Jährige, die heute in einer Seniorenwohnung in Gladbeck lebt, überzeugt. „Mensch, alles, was ich schreibe, ist Tatsache. Ich bin ein Reporter.“ Und tatsächlich findet sich kaum ein Thema, was die Literaturfreundin nicht schon bearbeitet hat. Oftmals in Reimform. Aber die Geschichten, die sie erzählt, die haben es auch in sich.

„Einmal bekam ich eine Mahnung von der Stadt. Für eine Sache, die ich schon bezahlt hatte. Das Schreiben sollte mich 30 Mark kosten. Ich antwortete und schrieb darunter, mein Brief kostet auch 30 Mark.“ Der Briefwechsel zog sich hin, bis Doris Minck gegenüber der Stadt eine fiktive Forderung von 180 Mark hatte. „Da hast’e eine solche Forderung an die Stadt. Ja watt machst’e?“ Ganz einfach. Sie schrieb dem Bürgermeister. „Dem habe ich gesagt, ich spende den Betrag für eine Fortbildung der Mitarbeiter.“ Und der der sollten diese dann lernen, sich für Fehler zu entschuldigen.

„Grad wie ein Kaktus stachelig; so bin auch sicher manchmal ich; doch bist Du fort in weiter Ferne; dann säh’ ich Dich bei mir sehr gerne; und bist Du da, dann steche ich; so wie ein Kaktus, fürchterlich; und jedes Mal Du mir vergibst; weil Du halt meine Stacheln liebst.“

Die Literatur hatte es Doris Minck schon immer angetan. „In meiner Jugend habe ich viel gelesen. Aber ich wollte in meiner Bibliothek immer ein Buch stehen haben, auf dessen Rücken Doris Minck steht. Als datt dann war, war eigentlich die Sache gelaufen.“ Das war vor rund fünfzehn Jahren. Und dennoch folgten drei weitere Bücher. Denn sie kann es nicht lassen. „Die Reime kommen vom Himmel. Die fallen mir ein und dann kann ich manchmal gar nicht so schnell schreiben, wie ich will, weil ich Angst habe, etwas zu vergessen.“ So wie der Reim vom Watt. „Ich sitz’ am Watt und denke wat; so einfach vor mich hin; wat ist das Watt und wat bin ich? Weil ich doch auch wat bin.“ Und so weiter. Wer nun denkt, er habe es mit einer Urlaubs-Philosophie zu tun, der irrt. „Nee. Datt is’ mir eines Sonntags eingefallen, beim Frühstück. In unserem Haus.“

Sie zieht am „Zarettchen“. Die Kaffeetasse bleibt weiter unberührt. Zu sehr ist die Autorin mit Erzählen beschäftigt. Davon, dass sie immer lernen wollte. Sich bilden. Und dann aufmerksam wurde auf ein Kursangebot, bei dem man kostenlos Französisch lernen konnte. Ihr damaliger Lehrer entpuppte sich als Neffe des einstigen Ministers Steinmeier. „Die Welt, datt is’ so’n Klümpchen. Datt sach ich dir“, lacht Doris Minck. Eben dieser Lehrer war es, der ihr einen passenden Kosenamen gab: „Madame de Poesie“. Das gefällt der gebürtigen Horsterin.

Und schon erzählt sie weiter. Von ihrem beruflichen Leben, das als Industriekaufmannsgehilfin begann. Danach war sie für einen reichen Unternehmer als dessen Privatsekretärin tätig. Dann für dessen Sohn in einer Werbeagentur. „Der hat die Coca Cola-Weihnachtstrucks auf die Straße gebracht. Und ich war dabei der Finanzminister. – Ja, ich hab schon viel erlebt in meinem Leben.“

Auf einmal springt Doris Minck auf. „Ich hab’ da watt.“ Vom Schriebtisch, einer der drei Orte, wo immer ein Aschenbecher parat steht, holt sie einen Zettel. „Ich hab’ vor kurzem eine Margenabrechnung bekommen.“ Stolz hält sie das Schreiben hin. Dem kann man entnehmen, dass sie allein im Juni 41 Exemplare ihres selbst verlegten Buches „Gesellschaft per Vers“ verkaufte. „Tja, datt hättet ihr bei ‘ner Oma nicht gedacht. Watt?“

Fröhlich nimmt sie wieder Platz. „Aber macht nicht so’n Bohei um mich.“ Das liege ihr eigentlich nicht so, betont sie. Für sie, ja da stünden die Reime im Vordergrund. Und die Lebensfreude. Ohne die sei Alles nichts. „Und stellt sich im Leben; auch manches entgegen; Lachen, das hilft; es ist wie ein Segen; Laß von den Problemen; Dich nicht unterkriegen; am Ende da wirst; Du lachend siegen.“