Gelsenkirchen-Buer.
Pop Art, Land Art, Eat Art: Warum dann nicht auch Tree Art? Zu Beginn der aufregenden 1970er Jahre schien alles möglich. Darum ahnte auch kaum jemand den Sprengsatz, der in einem Neunzeiler steckte, mit dem die WAZ (und die anderen Tageszeitungen) im September 1970 eine Ausstellung in der Städtischen Kunstsammlung ankündigte. Dürre Astgabeln galt es zu bestaunen - „erstmals übrigens in Europa!“ - , an die Miguel Remedios aus Venezuela seine künstlerische Hand angelegt und dann Silberbronze und gelegentlich etwas Rot aufgetragen hatte.
Was als Kritik an „bekannten lateinamerikanischen Verhältnissen im politisch-sozialen Bereich“ interpretiert wurde, stellte sich als Skandal, als Posse auf die Unsicherheit heraus, in Sachen Kunst ein verlässliches Urteil zu fällen. Autor Ernst-Adolf Kunz, bekannt unter seinem Pseudonym Philipp Wiebe, hatte sich einen Jux erlaubt und dafür in VHS-Chef Rainer Kabel einen prominenten Unterstützer gefunden. Die Idee kam Kunz, als er eine 20 Jahre alte Akazie, vom Sturm umgeweht, entsorgen wollte und dafür 150 Mark zahlen sollte. Da heckte er die Geschichte vom Objekt-Künstler Remedios aus, der Castro und Che Guevara verehrte und von Alois Schonig gespielt wurde, einem Lehrer aus Herne, dem man eine Baskenmütze aufgesetzt und den blonden Schnäuzer schwarz gefärbt hatte. Und Kunz hielt, vermutlich unter Beifall, den Eröffnungsvortrag „Rot wird siegen!“.
Als der Scherz bekannt wurde, Radio Bremen und Spiegel darüber berichteten, war Kulturdezernent Heinrich Meya erzürnt, Rechtsdezernent Kauke aber lachte und versicherte dem Übeltäter, dass man juristisch keine Handhabe gegen sein Happening habe. Kabel lehnte sich entspannt zurück: Zu diesem Zeitpunkt war ihm schon die Festanstellung als Hauptabteilungsleiter beim Sender Freies Berlin sicher.