Buer. Zum 50. Jahrestag seiner Meisterprüfung als Kfz-Mechaniker gab’s für August Rohsiepe nicht nur den Goldenen Meisterbrief, sondern auch einen Rückblick auf seine Karriere als Rennfahrer. Mit seinen Geburtstagsgästen ließ er sie Revue passieren.
Die Hand am Gaszug, den Fahrtwind im Gesicht: Der Geschwindigkeitsrausch war August Rohsiepes Währung in den 1950/60-ern. Dass diese auch ihre weniger schönen Seiten hat, musste der frühere Motorrad-Rennfahrer und Kfz-Mechaniker aus Buer gestern bei der Verleihung des Goldenen Meisterbriefs feststellen. „Mein Gott, bin ich schnell alt geworden“, schoss es ihm durch den Kopf, wie er später gestand – um danach in aller Ruhe mit Geburtstagsgästen seine 80 Lebensjahre Revue passieren zu lassen. Denn Tempo 220 oder 250, das war gestern.
Ein Gestern freilich, das im Heute seine Spuren hinterlassen hat. Ganze Stapel von Schwarz-Weiß-Bildern und vergilbten Zeitungsartikeln füllen die Fotoalben: Rohsiepe mal mit jungenhaftem Lachen beim Berliner Avus-Rennen 1956, wo er mit seinem Vater August in der Seitenwagenklasse den 3. Platz einfuhr; mal als strahlender Sieger auf einer 500-er BMW beim Großen Preis von Deutschland (1958); dann wieder – mit maßloser Enttäuschung im Gesicht – im Pulk anderer Rennfahrer. „Wo das war, weiß ich nicht mehr. Aber ich war furchtbar verärgert, weil ich ausgeschieden bin“, erzählt Rohsiepe.
Kein Wunder, dass der junge Kfz-Geselle damals enttäuscht war. Um an den Motorrad-Rennen in Spanien, England oder Frankreich teilnehmen zu können, musste er seine Eltern und später seine Frau Margret schon mal über Wochen mit der Arbeit auf der elterlichen Tankstelle an der heutigen Buer-Gladbecker-Straße alleine lassen. Oft bis tief in die Nacht schraubte er an seiner Maschine, um völlig übernächtigt seine Runden zu drehen.
„Reich werden konnte ich mit den Rennen nicht, zumeist holte ich nur den vierten Platz. Mit etwas Glück fuhr ich wenigstens das Startgeld ein und konnte die Reise- und Unterbringungskosten begleichen. Auch der Beifahrer wollte schließlich bezahlt werden.“
Zumindest Rohsiepes Vater dürfte für das Hobby viel Verständnis aufgebracht haben: Er hatte den jungen Mann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg vom Fußballplatz von Buer 07 weggelotst in seinen Beiwagen und mit dem Rennfahrer-Virus infiziert.
Darin war Rohsiepe sen. seinem Sohnemann allerdings kein Vorbild. Letzterer erlaubte seinen Söhnen Bernd und Jochen, die 1963 und 1964 nach Tochter Birgitt (1960) zur Welt kamen, nie, einen Motorradführerschein zu machen. „Ich habe oft genug sehen müssen, wie sich Freunde und Bekannte zu Tode gefahren haben“, hat der 80-Jährige auch Traumatisches erlebt.
1962 stieg Rohsiepe aus dem aktiven Rennsport aus und übernahm sechs Monate nach der Meisterschaftsprüfung den elterlichen Betrieb. Sein Faible für moderne Technik machte er sich auch dort zu Nutze und baute 1969 eine der ersten Waschstraßen in Deutschland. Zwischendurch beantwortete Fanpost – auch heute kommen noch Briefe an – und reparierte schrottreife Autos, darunter Schätzchen wie den 924-er Porsche Carrera GT, der nur 40 Mal gebaut wurde. „Den fuhr er immer bis an den Rand des Limits, aber nur zum Zweitwohnsitz nach Haltern“, erinnert sich Tochter Birgitt Brauckmann.
Auf ein Motorrad stieg August Rohsiepe nach 1962 nie wieder. „Ich wollte mich nicht übernehmen. Ein fremdes Motorrad war mir einfach zu riskant.“ Stattdessen fährt er Rad. Dass es einen (Hilfs-)Motor hat, versteht sich für den Ex-Rennfahrer von selbst. Und: Es bringt’s auf satte 25 Stundenkilometer.