Gelsenkirchen-Scholven. .

Praktika als Teil der Berufsorientierung kennt jeder. Aber Möbelrücken? Und ob! Beim Projekt „Startklar! Mit Praxis fit für die Ausbildung“ im Erler Berufsfortbildungswerk (bfw) des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatten Achtklässler der Hauptschule Mehringstraße die Aufgabe, die Zimmer einer Wohngemeinschaft aufzuteilen – Sofa, Schrank und Fernseher inklusive. Dass dies viel Konfliktstoff barg, war durchaus beabsichtigt: Im Mittelpunkt stand schließlich die soziale Kompetenz der Schüler, ohne die so mancher Berufswunsch nie Wirklichkeit wird.

Das Möbelrücken, es war Bestandteil eines „handlungsmotorischen Eignungstests“, den die 18 Hauptschüler aus Scholven am Montag und Dienstag jeweils in Vierergruppen zu bewältigen hatten. „Bei dieser Potenzialanalyse geht es darum, die Stärken und Schwächen der Jugendlichen etwa in den Bereichen Motorik oder Sozialverhalten zu erfassen, um in Hinblick auf einen Berufswunsch Tipps zur speziellen Förderung durch die Schule zu geben“, erläutert Ulrich Böhler vom bfw.

Die WG ohne große Streitereien einzurichten, stellte für Laura Zipser (15) und ihre drei Mitschüler kein Problem dar – auch wenn die Zimmer unterschiedlich attraktiv waren und es nur zwei Fernseher gab. „Wir haben darauf geachtet, dass es gerecht zugeht. Wenn einer seinen Wunschschrank bekommen hat, hat er eben das Sofa abgegeben“, erzählt sie. Pascal Lingenauber (15) gab sich als einziger Junge der Vierergruppe ganz generös und überließ den Mädels freiwillig die größeren Zimmer: „Die haben ja immer so viele Sachen unterzubringen.“

Testleiterin Ella Karsten beobachtete derweil das Verhalten der Schüler und vergab Punkte, ebenso wie ihre Kollegen beim Sortieren von Papierblättern nach Farben und Buchstaben, Ausschneiden von Formen mit dem Skalpell oder Zurechtschleifen von Fisch-Silhouetten aus Holzklötzchen.

„Puh, das ist ganz schön anstrengend“, seufzte etwa Hilal Gökmen (15), als sie mit der Raspel am Schraubstock das Holz bearbeitete. „Dabei will ich doch Friseurin werden.“ Mitschüler Lukas Gossen (15) ging das Schleifen sichtlich einfacher von der Hand. Auch er hat sich bereits Gedanken über einen Job gemacht: „Ich will in den Bereich Straßen-, Gleis- und Tiefbau gehen“, sagte er kurz und wandte sich wieder dem Fisch zu, schließlich tickte die Uhr. Nicht nur Genauigkeit, auch Schnelligkeit wurde bewertet.

Ob Hilal und Lukas tatsächlich Ausbildungsplätze in ihren Traumberufen ergattern werden, das können weder 8b-Klassenlehrerin Eva Kyon noch die bfw-Testleiter vorhersagen. Ob sie dafür geeignet sind, allerdings schon: „Die Ergebnisse der Potenzialanalyse werden den Schülern in Einzelgesprächen erläutert. Das hilft bestimmt, eine reale Einschätzung über die eigenen Möglichkeiten zu bekommen“, sagt Claudia Kopp, stellvertretende Leiterin der Hauptschule Mehringstraße und Koordinatorin für Berufs- und Studienorientierung.

Ohnehin stellt der Eignungstest nur eine von drei Phasen zur Berufsorientierung im bfw dar: Nach der Potenzialanalyse sammeln die Achtklässler praktische Erfahrungen in Übungswerkstätten. Die Palette reicht von Elektro- und Metalltechnik, Gesundheit und Soziales, EDV und Kaufmännisches, Bautechnik, Garten- und Landschaftsbau bis zu Lagerverwaltung und Logistik. Im 9. und 10. Jahrgang können die Schüler je nach Interesse Praxiskurse, individuelle Lernunterstützung und Tipps zur Persönlichkeitsenwicklung buchen. „Ziel ist es, das Interesse der Schüler an einer dualen Ausbildung zu steigern“, so Böhler – damit die Berufswahl eben keine Sache des Zufalls wird.