Gelsenkirchen-Scholven. Zeitintensives Hobby ist fast so aufwändig wie Landwirtschaft, erfuhren Besucher bei Schau von Verein Gladbeck-Scholven.
Es zwitschert und tschilpt aus jeder Ecke. Wo man hinsieht, erblickt man Vögel - kleine, große, bunte, graue. Der kleine Saal der Kneipe „Haus Kost“ ist zur Kulisse geworden für den großen Auftritt der Vogelliebhaber Gladbeck-Scholven.
„Wir haben uns selbst das Motto gegeben ,Klein aber fein’“, erklärt Rudolf Wiedemann, dass hier Kanarienvögel gezeigt werden, heimische Arten und ein paar Exoten.
Die Tiere auszustellen, bedeutet ganz schön viel Arbeit im Vorfeld. „Die Vögel werden trainiert, damit sie in den kleinen Ausstellungskäfigen ruhig sitzen bleiben.“ Denn das Tier muss an solch kleinen Raum gewöhnt sein. „Bei Waldvögeln braucht man dafür vier bis fünf Wochen. Bei Kanarienvögeln geht das auch schon mal in zwei Wochen.“ Das Training mildert nicht nur den Stress für die Tiere, es macht auch die Bewertung durch den Preisrichter erst möglich. „Der achtet ja auch darauf, dass der Vogel im richtigen Winkel sitzt“, so Wiedemann.
Auf der rechten Seite, direkt vor der großen Fensterfront, stehen größere Käfige. Im ersten, so erklärt ein Schild, sitzen zwei Erlenzeisige. Sie hüpfen auf Hagebutten herum und auf echten Ästen. „Wir wollten hier versuchen, den Lebensraum des Vogels im kleinen Maßstab nachzubilden.“ Den Vogelliebhabern geht es auch um die Vermittlung von Wissen über die heimischen Arten. „Unser Ziel ist es, unseren Kindern und Enkeln die heimischen Vögel zu zeigen.“ Da der Erlenzeisig dem Artenschutz unterliegt, handelt es sich natürlich um Nachzuchten.
Und das trifft auch auf seine heutigen Nachbarn zu, denen die Piepmätze in freier Natur nie begegnen würden. Vor der fotografierten Kulisse Afrikas, ein paar Zebras zeugen davon, flattern im Käfig zwei Wüstengimpel umher. „Die leben gern auf Sand und Steinen“, kennt sich Rudolf Wiedemann hier besonders gut aus. Diese Vögel gehören ihm selbst. Und was die „Fototapete“ im Käfig betrifft, so ließ er hier seiner Kreativität freien Lauf.
Rund 100 Vögel hatte der passionierte Züchter einst. Heute sind es nur noch etwa 60. Und auch die machen noch genug Arbeit. „Wir haben mittlerweile vier Enkel. Da muss ich mich ja auch mal drum kümmern“, erklärt Rudolf Wiedemann.
Einen Käfig weiter trifft der Betrachter dann noch auf eine besondere Art. Eine Kreuzung aus dem Wildvogel Girlitz und einem Kanarienvogel. „Da muss von beiden Vögeln etwas drin sein“, spricht der Fachmann, der die Vorgehensweise erklärt: „Solche Kreuzungen sind zum einen Hobby, zum anderen ist der Vogel dann nicht mehr so empfindlich und leichter zu halten.“ Das Vergnügen allerdings hat wenig Zukunft. Die gekreuzten Tiere sind nicht in der Lage, Nachkommen zu zeugen.
Ein Stückchen weiter sind erstmals größere Vögel zu sehen. Zwei Pennantsittiche warten hier auf einen Liebhaber, der ihnen ein neues Heim bietet. Ein paar Tiere nämlich stehen auch zum Verkauf. Das hat pragmatische Gründe. „Die Tiere werden bis zu 30 Jahre alt. Wenn man da ein Paar hat, kann man lange damit züchten. Und die Jungen gibt man dann schon mal ab.“
Jede kleine Lücke zwischen den Käfigen, jede Ecke des Raums ist als Stellfläche genutzt. Unzählige Vogelhäuschen stehen hier, allesamt von den Vogelzüchtern erbaut. Sie werden an diesem Wochenende verlost. „Wir möchten natürlich, dass die Gewinner die aufstellen, vielleicht sogar nachbauen. Und natürlich möchten die Züchter damit auch den Nachwuchs neugierig machen.“ Wie in so vielen Vereinen sieht es damit nämlich schlecht aus. Rudolf Wiedemann weiß, woran das liegt. „Sie brauchen meistens Eigentum, um große Volieren im Garten bauen zu können. Und dann ist da noch das Problem mit der Zeit. Man muss ja ganz anders planen, sein Leben danach ausrichten. Man ist ja fast ein Landwirt.“