Gelsenkirchen Buer. .

Es war ein seelenloser Verwaltungsakt, der die preußische Gemeinde Buer am 1. April 1911 nach vielen Anläufen zur Stadt machte. Lange vor dem Zusammenschluss mit Gelsenkirchen und Horst im Jahre 1928 wurde Buer Großstadt. Dank Hassel, wo am 2. Februar 1922 Gerda Lamche auf die Welt kam - in einem „schmucken Bergmannsheim“ am Röttgersweg 15. Sie war das elfte Kind einer Bergarbeiterfamilie - und die 100 000. Einwohnerin von Buer, das sich fortan als Großstadt fühlen konnte. Daran erinnert Heimatforscher Egon Kopatz, dessen Mutter mit Gerda Lamche befreundet war.

„Gerda Lamche wohnte als Witwe an der Ottostraße in Hassel, meine Mutter an der Valentinstraße, Ecke Nateweg, also direkt gegenüber. Beide Damen trafen sich abends zu Strickabenden, solange wie Gerda Lamche noch gesund war“, erinnert sich Egon Kopatz. Das Neugeborene muss damals für viel Freude gesorgt haben. Die Buersche Zeitung widmete diesem Ereignis von stadtweiter Bedeutung gleich eine ganz Festausgabe. Und die Stadtoberen zeigten sich großzügig: Sie spendierten der kleinen Gerda ein Sparbuch mit einer Einlage in Höhe von 5000 Mark.

Gleich nach der Geburt schickte die Zeitung einen Reporter zum Röttgersweg, um ihren Lesern Familie Lamche vorzustellen. Da ist Vater Hermann Lamche, ein „Mittel-Schlesier“ und 46 Jahre alt, der seit elf Jahren in Buer lebt und als Hauer auf der Zeche Westerholt arbeitet. Seine Frau ist 37 Jahre alt und stammt aus Herten. Beide können ihr Glück kaum fassen. „Die Freude über die Tatsache, dass ihr kleiner Sprößling einen Ehrentag in der Geschichte Buers einnehmen wird, hat ihr, wie mir scheint, viel mehr Freude gemacht, als das in Aussicht stehende Geldgeschenk“, reportiert der Zeitungsmann.

Buer als Großstadt: Diese Tatsache beflügelte damals auch die Vorstellungskraft der örtlichen Journalisten. Sie blickten in eine schier unvorstellbare Zukunft. Essen, Horst, Gladbeck, Gelsenkirchen, Recklinghausen und Dorsten sind eingemeindet worden. Ein Umstand, der auch in der Phantasie nicht von allen Nachbarn mit Wohlwollen begleitet worden war: „Als damals die Eingemeindungsgeschichte los ging, und Buer den Sieg davon trug und alles in weitem Kreise an sich zog, da war das natürlich ein harter Schlag für die Eingemeindungsfanatiker in Recklinghausen und Gladbeck.“

Auf der Hochstraße und der Goldbergstraße entstehen „hohe Paläste, große Kaufhäuser, Wolkenkratzer, Hotels an beiden Seiten der Straße“. Sogar von einer „Untergrundbahn“ in der „City von Buer“ ist die Rede, dazu von einem Rathausneubau, gesäumt von zehn Bank-Palästen, der „neuen drahtlosen Post“, dem Landgericht und der Oberbergwerksdirektion. Und auch ein Opernhaus durfte in der Großstadt Buer nicht fehlen.