„Ganz ehrlich: Ich hatte schon ganz schönen Bammel, in Japan wieder ein Instrument in die Hand zu nehmen“, sagt Bernice Weinhold. Trotzdem spielt die gebürtige Bueranerin seit einigen Jahren auch in Tokyo wieder in einer Band. Der Name: „Subway“ - mit umgedrehtem „b“.
Rückblende: Rund um die Jahrtausendwende war Bernice bei den „99 Rockets“ am Kontrabass aktiv, spielte Neo Swing auf den Bühnen in Gelsenkirchen und Umgebung. „Ich stamme aus einer Musikerfamilie. Schon mein Vater spielt Gitarre in einer Band und da bin ich schon in ganz jungen Jahren mit Musik in Berührung gekommen.“
Vor ein paar Jahren war dann Schluss mit den Rockets – die üblichen musikalischen Differenzen. Aber auch, wenn man sich weiterhin verstanden hätte, die Bueranerin hätte sowieso keine Zeit mehr gehabt, an den swingenden Aktivitäten der Raketen teilzunehmen. Sie siedelte nach Abschluss ihres Studiums nach Japan über und arbeitet seit einigen Jahren an der Deutschen Schule in Tokyo.
Trotz dichten Stundenplans und Stress’, sich in der neuen Umgebung akklimatisieren zu müssen – so ganz konnte sie nicht von der Musik lassen und gelegentliche Konzertbesuche reichten auch nicht. Also schaute sie sich nach neuen Mitstreitern um. Den Zuschlag bekamen die Rocker von „Subway“. Allerdings nicht unbedingt aufgrund ihrer musikalischen Ausrichtung. „Sie waren eine der wenigen Bands, die bei einer Internet-Kontaktbörse für Musiker auch eine englische Anzeige geschaltet haben.“
Macht Sinn, schließlich muss man sich ja mit den Bandkollegen auch irgendwie verständigen können. „Einen Großteil der Probe wird dennoch bei uns Japanisch gesprochen“, berichtet die Bassistin. „Nur in Ausnahmefällen wird für mich das eine oder andere übersetzt.“ Das bedeutet auch, dass sie sich schnell die wichtigsten musikalischen Fachbegriffe in der Sprache des Landes der aufgehenden Sonne drauf schaffen musste: Schneller, langsamer, leiser, lauter, mal ein bisschen mehr nach vorn preschend, mal eher zurückhaltend. „Ich denke, das ist wie bei Fußballspielern, die in einem fremden Land spielen: Man muss ganz schnell mitkriegen, was der Trainer meint, wenn er ,links’, ,rechts’ oder ,spiel ab’ sagt.“
Auch organisatorisch läuft in der japanischen Musikszene einiges anders. „Es gibt praktisch keine Proberäume, die man wie in Deutschland anmietet und rund um die Uhr nutzen kann“, erläutert Bernice. Man probt in Studios – vollständig eingerichtet mit Instrumenten und Verstärkern sowie professionellen Aufnahmemöglichkeiten. Das hat natürlich seinen Preis.
Bier gibt’s erst später
„Zwei Stunden kosten umgerechnet ungefähr 40 Euro. Da arbeitet man ganz anders, viel konzentrierter und verschiebt das Biertrinken dann auf später.“ Konzerte gibt es natürlich auch, aber eher in Festivalform. „Es gibt kaum Einzeltäter im Amateurbereich. Stattdessen spielen immer etliche Bands an einem Tag in einem Club.“ Wer wann und wo spielt, entscheidet der Clubbesitzer. „Wenn ihm eine Band besser gefällt, darf sie später auf die Bühne und muss nicht anfangen.“ Die stilistische Bandbreite ist dabei groß: Von Folk über Rock bis Metal ist alles vertreten. Dennoch gibt es keine Berührungsängste, Neid oder gar Aggressionen. „In Japan unterstützt man sich gegenseitig. Da kann es vorkommen, das nach dem Konzert der Altrocker zum Death-Metaller sagt, wie gut ihm der Auftritt gefallen hat.“
Die Chance, groß durchzustarten, ist gering. „Dafür sind wir allein mit über 30 schon viel zu alt. Japaner stehen auf junge Bands“, sagt Bernice. „Aber das muss auch nicht sein. Ich habe von einer Band gehört, die einen Vertrag bekommen hat, aber danach einem enormem Druck seitens der Plattenfirma ausgesetzt war. Die mussten drei Alben in einem Jahr veröffentlichen. Nein, danke. Wir werden in absehbarer Zeit auch ein Album auf eigene Rechnung machen und ansonsten möglichst lange zusammen bleiben. Das muss reichen.“