Westerholt. .

Die Geschichte von Westerholt steht und fällt mit der Grafenfamilie. Die verschiedenen Persönlichkeiten prägten die Geschichte. Männer wie Frauen hinterließen im kleinen Ort ihre Spuren.

Bereits 1017 waren die Herren von Wessel, so hieß die Familie vor der Niederlassung im Ort, im Vest tätig. Das belegen Urkunden von Kaiser Heinrich II. Die Wessels waren Dienstmannen des Kaisers. „Sie waren auf dem diplomatischen Parkett sehr aktiv und haben für den Kaiser Beziehungen geknüpft“, weiß Matthias Latus, Vorsitzender der Heimatvereins Westerholt. Und da sie das ganz offensichtlich gut taten, erhielten sie als Dank für ihre Loyalität Westerholt als Geschenk.

Seit 1193 sind die Herren von Westerholt urkundlich nachweisbar. Ihr Stammsitz, in dem sie auch lebten, war die Burg Westerholt, die bis zum 14. Jahrhundert ihr Eigentum war. „In dieser Zeit versuchte die Familie, ihr Gebiet zu vergrößern. Und das war nicht im Sinne des Erzbischofs von Köln, unter dessen Schutz sich die Grafen 1359 stellten. Ob freiwillig oder nicht, das ist nicht überliefert.“

Die Westerholts waren eines der angesehensten Adelsgeschlechter. Das Schicksal war ihnen hold. Bis Joseph Clemens August 1762, ohne einen Stammhalter gezeugt zu haben, starb. Die Bewohner des Dorfes sahen darin einen Fluch, der seit der Verbrennung der Anna Spiekermann auf dem Dorf lastete. Und tatsächlich, das Grafenhaus stand vor dem Aus. „Das Geschlecht wäre ausgestorben und das ganze Vermögen hätte an den Kaiser zurück gegeben werden müssen“, weiß Latus.

Es war die Stunde der erst 13-jährigen Wilhelmine Franziska, die durch die Ehe mit dem 22-jährigen Ludolph Friedrich Adolf Hab und Gut rettete. „Ludolph war ein trunk- und spielsüchtiger Mensch. Er verspielte zum Beispiel in nur einer Nacht Schloss Horneburg.“ Wilhelmine Franziska aber war schlau genug, die Geschicke der Familie ins Gute zu lenken. „Sie war eine sehr gebildete Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden stand.“ Sie ersann eine List. „In betrunkenem Zustand ließ man Ludolph einen Ehevertrag unterschreiben, der ihm nur repräsentative Pflichten überließ. Die Geschäfte führte fortan Wilhelmine Franziska.“ Es begann auf Westerholt die Zeit der starken Frauen.

Ludolph gab sich während dessen den Freuden des Lebens hin. So sehr wie das Spiel liebte er auch die Musik. Er legte großen Wert auf die musikalische Ausbildung seiner Kinder. Er unterhielt eine Hauskapelle, spielte selbst Fagott. 1786 engagierte er einen jungen Klavierlehrer für seine Tochter. In Bonn hatte er den kennen gelernt. Seine Name war Ludwig van Beethoven. Vier Jahre lang lebte der bei den Westerholts. „Beethoven nahm rege am Familienleben teil“, so Latus. Zu rege, vielleicht. Er verliebte sich in Maria Anna Wilhelmine, die Tochter des Hauses. Und sie sich in ihn. „Die Zuneigung war wohl da. Aber sie war so erzogen, dass eine Adelige einen Hauslehrer nicht heiraten durfte.“ Die junge Liebe hatte keine Chance. 1790 verließ Beethoven die Westerholts. Zum Dank komponierte er für die Familie ein Trio für Klavier, Flöte und Fagott. Der Tochter schrieb er weiter Briefe, die von seiner Zuneigung zeugten. „Niemals wird mein Herz sich ändern und es wird dich immer lieben“, heißt es da.

Die Westerholts überstanden die Zeiten der Industrialisierung, der Veränderung der Welt, gut. Im Kaiserreich fanden sie sich zurecht, dienten im ersten Weltkrieg Kaiser Wilhelm II. Doch Egon Graf von Westerholt wurde in Frankreich verwundet und starb im August 1914. Sein Sohn, der 17-jährige Egon, musste übernehmen.

Egon war ein berühmter Rennfahrer, der Anfang der 30er Jahre Erfolge feierte. Kurz nach der Machtergreifung fuhr er ein Rennen in Paris - und führte dort nicht den Hitlergruß aus. „Das machte ihm das Leben schwer“, weiß Latus vom früheren Grafen selbst. „Seine Karriere war zu Ende.“

Die geradlinige Haltung Egons machte ihn auch unter den Westerholtern beliebt. „Er war ein großer Verfechter der Westerholter Rechte und immer fair“, schwärmt auch Matthias Latus. Nach dessen Tod im Jahr 2002 folgte sein Enkel, Carlo Graf von Westerholt, ihm nach. Sein Engagement und seine Natürlichkeit machten auch ihm im alten Dorf bereits viele Freunde.