Westerholt. .

Sie war die schönste Frau von Westerholt, so sagt man. Doch genau diese Schönheit wurde ihr zum Verhängnis. Anna Spiekermann wurde der Hexerei bezichtigt und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.

Wir schreiben das Jahr 1705. Anna Spiekermann, die uneheliche Tochter von Elßken Spiekermann aus dem Kirchspiel Buer, ist als Dienstmagd im Haus Westerholt angestellt. Mit ihren 33 Jahren ist sie die schönste Frau im Dorf. Ihr rotes Haar trägt viel dazu bei. Neidvoll blicken die Frauen auf sie, lustvoll die Männer. So wie Johann Krampe, ein wahrhafter Trunkenbold, der versuchte, sich der jungen Frau zu nähern. Er wollte sie küssen. Auf offener Straße. Doch Anna Spiekermann stieß ihn von sich. Johann Krampe fiel zu Boden. Nicht nur sein Hinterteil schmerzte. Auch sein Ego.

Johann Krampe sann nach Rache. Andererseits kam ihm das Geschehene gelegen. Denn er stand kurz vor der Hochzeit. Und seine Impotenz in Folge einer Geschlechtskrankheit brachte ihn in Erklärungsnöte. Er brachte das Gerücht in Umlauf, Anna Spiekermann habe ihm mit dem bösen Blick der Manneskraft beraubt. Die Dienstmagd galt als Hexe. „Johann Krampe brauchte einen Sündenbock um seinen Makel zu erklären“, weiß Matthias Latus, Vorsitzender des Heimatvereins Westerholt.

Am 9. April 1705 wurde Anna Spiekermann festgenommen. Allerdings wohl zunächst zu ihrem Schutz. „Sie wurde auf der Straße angegriffen und verprügelt. Man vermutet, dass sie im Schloss in Schutzhaft war“, so Latus. Doch bald wurde die junge Frau angeklagt. Für weitere Ermittlungen wurde sie ins märkische Land gebracht zum „Klumpendoktor“ Merheim. „Der sollte das Geständnis aus ihr heraus quetschen“, weiß der Heimatforscher. In der Folter gab Anna Spiekermann zu, der Hexerei kundig zu sein. Das widerrief sie später. Ihr Schicksal aber schien besiegelt.

Bereits zum Tode verurteilt wurde Anna Spiekermann im Jahr 1706 wieder ins Vest Recklinghausen überstellt. Hier sollte das Todesurteil vollstreckt werden. „Man wollte ein Exempel statuieren und sie öffentlich im Dorfkern verbrennen.“ Doch die junge Frau war soeben durch die Folgen der Folter verstorben. „Im Kreisarchiv ist ein Dokument, das belegt, dass Anna Spiekermann vor der Verbrennung verstarb.“ Aber die Hexe musste brennen. Das Volk sollte ein für alle mal abgeschreckt werden. „Der Leichnam der Anna Spiekermann wurde an einen Eichenpfahl geschmiedet. So sah es aus, als würde sie stehen“, schildert Matthias Latus die Geschehnisse. Dieser Pfahl wurde beim Bau der Schiede Ende des 19. Jahrhunderts gefunden. Seither ist er aber verschollen.

Die Hexenverbrennung auf der Wetterwiese war vorbereitet. Doch das Volk weigerte sich, an ihr teilzuhaben. „Die schämten sich, am Tod der jungen Frau schuldig zu sein. Die Dorfbewohner waren zur Besinnung gekommen.“ Die Stadtwache sollte die Bewohner aus den Häusern zwingen. Doch auch die spurte nicht. Erst die Gladbecker Stadtwache, die zur Hilfe gerufen worden war, trieb die Einwohner zum Scheiterhaufen, wo sie dem schaurigen Spektakel beiwohnen mussten.

Die Wetterwiese wurde danach gemieden. „Man nannte den Platz Hexenplatz und war sicher, dass Anna Spiekermann als rastloser Geist dort spukt und die Bewohner des Dorfes heimsucht.“ Bald darauf wurde der Platz im Zentrum gar nicht mehr genutzt. Und das war nicht die einzige Folge des Dramas um Anna Spiekermann.

„Ein Jahr später wurden die Tratschweiber vor Gericht gestellt, die die Gerüchte um die Dienstmagd verbreitet hatten.“ Aberglaube, so lautete die Anklage, die erhoben wurde, nachdem die Frauen im Rahmen einer Prozession die festlichen Fahnen auf dem Hexenplatz in den Dreck schmissen. „Was für eine Strafe sie bekamen, ist leider unbekannt.“

Anna Spiekermann ist eine der letzten Frauen in der Umgebung, die im Rahmen eines Hexenprozesses ihr Leben ließ. Ob sie tatsächlich die letzte war, steht nicht fest. Sicher aber ist, dass in Deutschland bereits die Zeit der Aufklärung begonnen hatte. Der Tod der Anna Spiekermann ist nicht nur das dunkelste Kapitel in der Westerholter Geschichte, es markiert auch einen Wendepunkt hin zur aufgeklärten Gesellschaft.