51 Stufen geht es rauf. Und dann zwölf wieder runter. Schon der Weg zur großen Breil-Orgel in der Kirche St. Urbanus ist aufwendig. Das Spiel auf dem großen Instrument ist es allemal auch.
Denn die Orgel stellt große Ansprüche an den Spieler. „Man ist mit allen Extremitäten in Bewegung“, erklärt der Kirchenmusiker, dass man die Pedale mit den Füßen betätigt, die drei Manuale, also die Tastaturen, mit den Händen und gleichzeitig müssen die Register bedient werden. Die Orgel in Buer hat davon 50. Sie bestimmen die Klangfarben des Instruments, lassen die Orgel wie eine Trompete klingen oder wie eine Oboe oder bestimmen, ob ein Ton klar ist oder „gedackt“, also gedeckelt.
Bevor Carsten Böckmann aber die Orgel spielen kann, muss das Gebläse eingeschaltet werden. Das liegt am hinteren Ende des großen Instrumentes. Um dort hin zu kommen muss man wieder ein paar Stufen hoch steigen. Das Gebläse funktioniert wie eine Windmaschine, die viel Luftdruck erzeugt, der sich unter die Orgelpfeifen legt. Mit dem Drücken der jeweiligen Taste öffnen sich eine oder mehrere Pfeifen und erzeugen einen Ton. „So wie eine Blockflöte kann man sich das vorstellen“, erklärt der Kirchenmusiker.
Was heute elektrisch geschieht, musste in früherer Zeit manuell geleistet werden. „Damals gab es Kinder, die die Tätigkeit des Kalkanten ausübten. Sie betätigten den großen Blasebalg manuell. Und für so eine große Orgel, wie wir sie haben, hätte man mehrere Kalkanten gebraucht.“
Tatsächlich die die buersche Orgel überdurchschnittlich groß. In ihren mehreren kleinen Räumen beherbergt sie rund 4000 Orgelpfeifen. Die kleinste ist gerade einmal so groß wie der Nagel eines kleinen Fingers. Die größte hat 32 Fuß. Umgerechnet sind das fast 10 Meter. „Da sind wir besonders stolz drauf“, sagt Böckmann und führt dann den Ton vor. Seine Euphorie wird unverständlich. Der Ton erinnert an das Geräusch eines Presslufthammers. „Für sich genommen ist der relativ uninteressant“, räumt Böckmann ein. „Aber in einem Stück rundet er den Klang ab.“ Der Ton unterstreicht die Gewalt mancher Kompositionen und dient in geistlichen Werken der Unterstreichung der göttlichen Macht.
Die Breil-Orgel in Buer erlaubt tiefe Einblicke in ihr Innenleben. So sind Teile der Orgel begehbar. Man steht auf einer Art Steg. Rechts und links reihen sich große und kleine Pfeifen aneinander. Einige sind viereckig und aus Holz, andere rund und aus Metall. Welches genau, das weiß Carsten Böckmann nicht. „Die Legierungen sind das Geheimnis der Orgelbauer.“
Die Pfeifen unterscheiden sich nicht nur optisch, sondern auch in der Funktion. Die Labialpfeifen darf man sich wirklich wie eine Blockflöte vorstellen. Nur dass für jeden Ton eine neue Flöte nötig ist. Die Lingualpfeifen oder auch Zungenpfeifen ähneln in ihrer Funktionsweise eher einer Mundharmonika. In ihr liegt ein Plättchen, das bei Luftzufuhr ins Schwingen gerät und einen Ton erzeugt.
Weil das Orgelspiel ohnehin schon schwierig ist, gibt es für den Organisten eine kleine Hilfe. Die bietet auch schon das Instrument in Buer. Auf acht verschiedenen Ebenen können hier Tonfolgen im Vorfeld eines Konzertes aufgenommen werden, die dann im Konzert nach Bedarf abgespielt werden. „Das funktioniert wie bei einer Loop-Box“, so Böckmann, der aber über das Angebot der acht Ebenen schmunzelt. „Bei einer modernen Orgel hätte man heute 2000 Ebenen.“ Schmälern würden selbst die übrigens die Kunst nicht, ist Carsten Böckmann überzeugt. „Johann Sebastian Bach hätte das auch genutzt, wenn es das zu seiner Zeit gegeben hätte. Ganz sicher.“