Naturschutz oder Arbeitsplätze? Drei Jahre ist es her, dass die politischen Gremien mit dieser Frage rangen, sich dann für die Jobs bei der Ruhr Oel entschieden.
Mit der Änderung des Flächennutzungsplans schufen sie die ersten Voraussetzungen für die Norderweiterung des Chemiestandortes Scholven. Diese nimmt nun konkretere Formen an: Gestern stimmte der Stadtentwicklungs- und Planungsausschuss mehrheitlich dem Entwurfs- und Auslegungsbeschluss des Bebauungsplans für den 58 ha großen Ostteil des Areals zu.
Für CDU und SPD war dieses Bekenntnis zur Industriestadt eine „Selbstverständlichkeit“, so SPD-Fraktionschef Klaus Haertel, gelte es doch, Gelsenkirchen im weltweiten Wettbewerb der BP-Standorte um potenzielle Neuinvestitionen den Rücken zu stärken.
Ob überhaupt und wann BP als Ruhr-Oel-Mutter auf dem Gelände zwischen Auf der Kämpe, Autobahn 52, Ulfkotter Straße (B 224) und Halde Scholver Feld eine petrochemische Anlage errichten wird, ist freilich noch völlig unklar.
Aber die planungsrechtlichen Grundlagen werden jetzt festgezurrt, besonders was Vorgaben an Natur-, Landschafts- und Immissionsschutz angeht. Denn das betroffene Gelände, es grenzt ans Naturschutzgebiet „Auf der Kämpe“, das wegen seines Rad-/Wanderweges Erholungsfunktion hat und in dem geschützte Arten wie Rauhhautfledermaus oder Steinschmätzer jagen.
So soll also die Norderweiterung vorrangig von der Ostfläche her entwickelt werden, sprich: der „Bebauungsplan Nr. 404“ gilt für das Areal zwischen der Halde Scholver Feld und der A 52, das per Brücke über die B 224 an das Werk angeschlossen werden soll.
Um erhebliche Beeinträchtigungen für Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser und Klima zu reduzieren, schreibt der Entwurf Pufferstreifen mit Eingrünungen vor, etwa einen Abstand von 20 bis 70 m zum Weg „Auf der Kämpe“ und einen 20 breiten Grünstreifen im Norden, Süden und Osten des Industriegebiets. Vorgeschrieben wird auch die maximale Baukörperhöhe mit ca. 50 m bzw. bis zu 100 m für erforderliche Schornsteine.
Die fruchtbaren, zum Teil schutzwürdigen Braunerden sollen auf einer Rekultivierungsfläche der Ex-Kokerei Hassel verwendet werden; ein großer Teil davon ist wegen der Errichtung des 20 ha großen Containerdorfs von BP-Partnerfirmen bereits zwischengelagert. Für die Containerstellplätze, deren Genehmigung im September 2011 ausläuft, gilt: Nach fünf, spätestens zehn Jahren müssen sie verlagert werden.
Insgesamt folgte die Ausschussmehrheit bei einer Gegenstimme von Irene Mihalic (Grüne) dem Fazit der Verwaltung, dass das Vorhaben „mit den Belangen der unbebauten Umwelt vereinbar“ sei. Wenn der Rat dem Entwurf am 9. Dezember zustimmt, wird das Papier einen Monat lang im Rathaus zur Ansicht ausgelegt. Der endgültige Satzungsbeschluss soll noch vor den Sommerferien 2011 erfolgen.