Westerholt.
Hinab fallendes Herbstlaub umspielt die großen Skulpturen. Anorganisch wirken diese Kolosse aus Zement, die so einen Kontrapunkt setzen zur Natur. Dahinter erstreckt sich ein großer Flachbau, der bunt gestrichen ist, über den großen Hof, der sich schon mehrfach völlig wandelte. So wie das Leben von Gertrud Knoop.
Mit ihrem Mann Josef kam sie in den 1950er Jahren nach Westerholt, eröffnete hier mit ihm eine Firma. Damals machten sie in Fassaden. Doch das war nicht lange von Erfolg gekrönt. Mitte der 70er Jahre erlebte das Paar eine Krise. Nicht nur wirtschaftlich. Josef Knoop war zudem krank. Während der Rekonvaleszenz kam er zur Kunst, versuchte sich zunächst mit Keramik. Und er gebar einen Traum: Das Firmengelände sollte zum Kunsthof werden, ähnlich dem Halfmannshof in Gelsenkirchen. „Als alles zusammen brach, haben wir entschieden, diesen Traum zu realisieren“, erinnert sich Gertrud Knoop. Aus der großen Halle wurden kleine Atelierräume gemacht. Und tatsächlich fanden sich viele Interessenten. 1978 wurde der Kunsthof offiziell eröffnet. Man bot Erwachsenenbildung an, beherbergte zeitweilig sogar ein Puppenmuseum mit Restaurationsstube. „Das lief alles super.“
Ende der 1980er Jahre arbeitete das Besitzerpaar, er hatte sich ganz der Bildhauerei verschrieben, zum ersten Mal mit Jugendlichen. Weil das so gut lief, trat das Arbeitsamt an die Knoops heran, schlug Arbeit mit psychisch kranken Menschen vor um diese auf einen Beruf vorzubereiten. Eine Aufgabe, in der das Ehepaar aufging. Und auch die gemeinsame Tochter Monika, von Hause aus Floristin und bis heute auf dem Hof aktiv, arbeitete mit. „Das haben wir 15 Jahre lang gemacht“, erzählt Gertrud Knoop. Bis sich die Zeiten änderten, Aufträge für solche Arbeiten über Ausschreibungen vergeben wurden. „Dann hieß es, unser Konzept passt nicht. Und wir verloren das alles“, so die 77-Jährige, die zur selben Zeit noch mehr verlor. Ihren Mann. Ganz auf sich gestellt entschied sie, zurück zu den Wurzeln zu gehen. Der Hof sollte wieder Kunsthof sein.
Rechts neben dem Flachbau liegt, hinter hohen Bäumen und vielen Büschen, das Wohnhaus der Familie. Eine Reihe von übergroßen Rehen, lebendige Skulpturen aus Weidenästen geflochten, heißen Besucher willkommen. Überall unter Bäumen und zwischen Steinen kann man auf Entdeckungsreise gehen. Das gefällt auch den vielen Gästen, die mittlerweile wie selbstverständlich ein- und ausgehen. Denn derzeit sind alle Räume vermietet. Wenn auch nicht alle an Künstler. „Das ist wirtschaftlich nicht zu leisten“, weiß Gertrud Knoop, die sich vor fünf Jahren den Trend zu nutze machte und auch eine Heilpraktikerin und eine Yoga-Lehrerin zu ihren Mietern zählt. „Das ist der Trend der Zeit“, weiß die Geschäftsfrau, die mit Zahlen gut kann, weil das eigentlich schon immer, auch zu Zeiten der Firma, ihre Aufgabe war.
Ganz hinten auf dem Hof erinnert ein charmantes Haus an die Arbeit mit den Jugendlichen früher. „Das ist unser Schlumpfenhaus“, schmunzelt Gertrud Knoop. Ein Backhaus, ganz aus Lehm gebaut, mit kleinen runden Fenstern und vielen Rundungen ist das. Im Sommer ist das Häuschen ein Magnet für die Besucher, die hier im Schatten die Seele baumeln lassen.
Eigentlich könnte sich Gertrud Knoop zufrieden zurück lehnen. Mit viel Engagement rettete sie den Hof und den gemeinsamen Traum. Doch ein Vorhaben hat die gebürtige Essenerin noch. „Jetzt plane ich noch, eine Dauerausstellung mit Arbeiten meines Mannes einzurichten. Das ist der letzte Akt, den ich im Kopf habe.“