Buer.

Der Nacken wird fast steif vom ständigen Blick in den Himmel. Wo bleiben sie nur? Sehnsüchtig erwarten Heinz Richter (60) und Sohn Jörg (31) ihre fliegenden Modellathleten. Ihre Hochleistungssportler sind Tauben, die locker auch nach 500 Kilometern Dauerflug im Ziel landen. Genauer: im heimischen Schlag an der Bertlicher Straße.

12 Preise hat „Lady“ in 13 Lufttouren bereits geholt. Und der männliche Champion, Endnummer 397, war dreimal der Schnellste in der Reisevereinigung Buer. Mit durchschnittlich über 75 km/h sind die grazilen Meisterflieger unterwegs. Über 40 schicken die Richters auf Reisen. Ob sie im östlichen Görlitz in Sachsen oder im südlichen Marsberg in Bayern aufgelassen werden, den heimatlichen Schlag verfehlen sie eigentlich ganz selten. Und wenn die beiden Züchter auch nach stundenlanger Himmelsschau die letzte fehlende Taube noch nicht entdeckt haben, dann hat diese das Schicksal einer untergeordneten Lufthoheit ereilt. Habichte, Falken oder andere Greifvögel unterbrechen so manchen Rekordflug.

„Die Angst um unsere Tiere sitzt uns immer im Nacken“, sagt Heinz Richter. Wenn er seine Schützlinge zwecks Muskelaufbau zu Trainingsflügen aufsteigen lässt, scheint das Buffet für ein Wanderfalkenpärchen eröffnet. Es brütet auf dem alten Förderturm von Schacht 3 der Zeche Westerholt. Die beiden haben sich in diesem Jahr über 20 Tiere geholt. Ein befreundeter Taubenvater hat unter dem Horst 250 Brieftaubenringe entdeckt. So sehr sich der begeisterte Züchter über den Verlust ärgert, so bewundert er doch die akrobatischen Flugkünste der Jäger, die gemeinsam von zwei Seiten angreifen. Im Sommer ist die Gefahr geringer, weil die Beuteauswahl für die Greifer noch groß ist.

Taubenzucht ist eine Ganztagsbeschäftigung. Zwischen sieben und 12 ist Futterzeit. Zunächst werden die Witwervögel mit Sämereien, geschälten Sonnenblumenkernen und rotem Mais verwöhnt. Sie haben eine eigene Sprache, die Taubenväter. Alle Tiere, die auf Reisen gehen, sind Witwer. Die männlichen Tiere nennen sie Vögel, die weiblichen eben Weibchen. Um Energie für die Langstreckenflüge zu tanken, gibt’s als Powernahrung zusätzliche Eiweißprodukte.

Das Hobby, das Heinz Richter seit 1962 betreibt, lässt ihn und seinen Sohn nicht mehr los. Ihre Zucht-Philosophie: „Geht’s den Tieren gut, geht’s auch uns gut.“ Und schließlich weiß der 60-jährige Taubenvater auch, dass er die leuchtend bunten Farben der Prachtexemplare im Garten seinen gefiederten Freunden zu verdanken hat. Richter. „Es gibt nichts Besseres für die Rosen als Taubendung.“