Hätte Ilhan Gündogan damals auf die Berufsberatung gehört, dann wäre er heute Maurer oder Friseur. Beides ehrenwerte Berufe, für die man allerdings keine allgemeine Hochschulreife vorweisen muss. Der 26-Jährige studiert Wirtschaftswissenschaften in Bochum und ist froh, dass er seinen eigenen Weg gegangen ist. Auf Unterstützung durch seine türkische Familie konnte der ehemalige Schüler der Gesamtschule Horst dabei nicht bauen: „Der eine meiner älteren Brüder ist selbstständig, der andere arbeitet auf dem Pütt.“ Die Erfahrungen, die Ilhan Gündogan beim Wechsel von der Schule zur Hochschule gesammelt hat, will er nicht für sich behalten. Als Mentor hat er türkischstämmige Schülerinnen und Schüler aus dem 11. und 12. Jahrgang der Gesamtschule Horst vorbereitet auf eine Welt, die auch heute noch für Kinder der zweiten und dritten Einwandergeneration unerreichbar scheint.
Ilhan Gündogan: „Wir haben damals Abitur gemacht, aber nicht gewusst warum.“ An diesem Punkt setzt das Mentoring-Programm an, das von der Türkisch-deutschen Studenten- und Akademiker-Plattform angeboten wird. Es trägt den beziehungsreichen Titel: „Isteyen yapar - Wer will, der kann“. Wie sieht eine Universität von innen aus? Welche Voraussetzungen zum Besuch müssen erfüllt sein? Wie ist es um Stipendien und Studienfinanzierung bestellt? Alles Fragen, die an der Schule in Workshops oder vor Ort in Bochum geklärt wurden. In den Gesprächen mit den Schülerinnen und Schülern ging es Ilhan Gündogan dabei nicht nur um die bloße Vermittlung von Fakten. „Als Mentoren wollen wir das Selbstbewusstsein der Schüler stärken und ihnen ein Vorbild sein.“ Auch deshalb, um der unter Migranten verbreiteten Ansicht „Wir werden es eh nicht schaffen!“ einen anderen Lebensentwurf entgegen zu setzen.
Lehrer Abbas Mordeniz bestätigt die Erfahrung, die Ilhan Gündogan gemacht hat: „Unsere Schüler sind in ihren Familien oft die ersten, die das Abitur machen.“ Auf Unterstützung, auf Begleitung und auf Motivation können sie dabei nicht unbedingt hoffen. Auch in der Schule nicht, denn die Berufswahlorientierung berücksichtigt nicht immer auch die besondere Situation der Migrantenkinder. „Uns fehlen einfach die Netzwerke“, stellt Abbas Mordeniz fest.
Diese zu schaffen und enger zu knüpfen, hat sich die Plattform nach Pilotprojekten in Duisburg und Köln jetzt auch in Gelsenkirchen zum Ziel gesetzt. Projektleiterin: Hatice Pinar: „Wir wollen unser Konzept ausweiten, um auf diese Weise noch mehr Schüler zu erreichen.“ Oberstufenleiterin Maria Schulte-Coerne freut sich, dass den Schülern auf diese Weise neue Perspektiven für die eigene Zukunft eröffnet werden konnten. Das Projekt ist ausbaufähig. „Das könnten deutsche Schüler auch gebrauchen.“