Buer. Das Jubiläum beging der Verein für psychosoziale Arbeit mit dem „Silbernen“ der Tagesstätte. Er gilt als Vorreiter für gesellschaftliche Öffnung.
Der Gesunde weiß, dass über den Wolken die Sonne scheint, und der Betroffene sitzt in einem Loch, fühlt sich, als ob er unter einer Eisdecke schwimmt: Die gemeinsamen Bilder, die gemeinsame Sprache machen das Verständnis aus – für die psychische Erkrankung in ihren vielfältigen Ausprägungen, die so schwer zu fassen ist. Seit 40 Jahren arbeitet Nienhof e.V., der Verein zur Förderung psychosozialer Arbeit, auf diesem schwierigen Feld, seit 25 Jahren besteht die Tagesstätte in Erle. „Das heutige Wirken gründet auf dem, was in Jahrzehnten hier an engagierter Arbeit geleistet wurde“, fasst Jürgen Skotschke, der Nienhof-Geschäftsführer, zurückhaltend zusammen.
25 Prozent aller Menschen in Deutschland sind laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde derzeit von einer psychischen Erkrankung betroffen. Fallzahlen zu erheben, schon gar im Vergleich mit dem Start des Nienhofs vor einem Vierteljahrhundert, ist nahezu müßig. Denn die Akzeptanz bei Betroffenen und in der Gesellschaft, aber auch die Diagnostik und die Möglichkeiten der Behandlung und Therapie haben sich immens verändert.
Schon deshalb erscheint der Start des Vereins zumindest ungewöhnlich. Denn den Anstoß gaben Studenten der Bochumer Ruhr-Uni, die in Gelsenkirchen wohnten, zu einer Selbsthilfevereinigung angesichts eines offensichtlichen Defizites. Oberbürgermeister Frank Baranowski bringt es im Grußwort auf folgende Formel: „Sie haben hier das gemacht, was viele gedacht haben, und haben angepackt.“
Offenes Angebot sprach sich schnell herum
In einer ehemaligen Schneiderei nahm der Verein den Betrieb auf. Die Einrichtung erster Gesprächskreise sprach sich schnell herum. Sie deckten die Schwerpunkte Beratung, Kontakt und Kommunikation sowie Beschäftigung und Werken ab. Es entstand die Kontaktstelle an der Nienhofstraße 8 mit dem Büro, „einem betont niederschwelligen Angebot,“ unterstreicht Skotschke. „Und es ist immer jemand da, die Tür ist offen.“
Die Stadtverwaltung steuerte nach erster Kontaktaufnahme für den unterversorgten Gelsenkirchener Norden eine Förderung bei. „32.000 Mark für fünf Leute,“ erinnert Skotschke in der Zeittafel. In rascher Folge entstanden an neuen Angeboten die Frauengruppe und das Ambulante Betreute Wohnen zur Alltagsbegleitung psychisch Erkrankter im eigenen häuslichen Bereich, als Vorreiter für und in Kooperation mit der Stadt. Als Meilenstein sticht dann 1994 die Gründung der Tagesstätte in der Wilhelmstraße 90 heraus.
Fotoprojekt zum Erkennen,Verarbeiten und Darstellen
20 Plätze hatte sie damals, heute sind es 25, die Betroffenen einen Tagesrhythmus und Struktur bieten soll. Hinzu kommen Einzel- und Gruppengespräche und weitere Aktivitäten. Es gibt eine Tierheimgruppe, Sport, Ausflüge und inzwischen auch ein Fotoprojekt. „Fotograf Gregor Wildförster schafft in Theorie und Praxis die Möglichkeit für Interessierte und die Besucher der Tagesstätte, ihre Belastung zu verarbeiten, ihr Befinden zu erkennen und darzustellen“, umschreibt Jürgen Skotschke.
Info und Kontakt
Nienhof, der Verein zur Förderung psychosozialer Arbeit, ist am Standort Buer, Nienhofstraße 8 im Hof, erreichbar in der Kontaktstelle/Ambulant Betreutes Wohnen unter 0209/37 95 81, verein@nienhof.de, in der Beratungsstelle/Kulturspezifische Beratung unter 0209/35 983 003, beratung@nienhof.de, die Präventionsfachstelle/Familienberatung unter 0176/64 33 88 63, praevention@nienhof.de
Die Tagesstätte am Standort in Erle, Wilhelmstraße 77 im Hof, ist erreichbar unter 0209/79 84 92, tagesstaette@nienhof.de, mehr auch unter www.nienhof.de. Die Angehörigengruppe trifft sich in der Kontaktstelle Nienhof in Buer 14-tägig montags von 18.15 bis 19.45 Uhr, Infos auch im Elisabeth-Krankenhaus, 0209/7003 324.
In der Ausstellung „Von der Dunkelheit ins Licht“ in der Kellerbar des Consol-Theaters dokumentierte Wildförster, dass Depression durchaus auch eine Chance sein kann und was damit kreativ erreichbar ist.
Aktuell haben sich in der Arbeit des Nienhofs weitere Schwerpunkte mit Angehörigengruppe, präventiver Betreuung von Kindern oder einem eigenen Angebot in türkischer Sprache gebildet. Skotschke lässt die Zahlen, dass etwa 25 bis 40 Besucher übers Jahr in der Tagesstätte sind, 250 bis 300 in der Kontaktstelle und im Café, auslaufen in der Feststellung: „Es sind viele unter den Stammklienten und Besuchern, die mit uns alt geworden sind.“ Zum Glück.