Gelsenkirchen-Horst. Beim Bezirksforum in Horst wurde die Summe von 30.000 Euro an Projekte aus der Bürgerschaft vergeben. Vor allem Schulen nutzen die Chance.
„Lass uns reden – über Geld“, so lautet die Überschrift des Abends. Und jeder weiß, das kann auch schwierig sein. Die Glashalle von Schloss Horst ist gut gefüllt, viele Anträge werden schon vor Beginn des Bezirksforums West ausgefüllt. Die Summen am Ende der Plakate sind mal höher, mal geringer. Die Vertreter der Stadt, allen voran Stadtkämmerin Karin Welge, ahnen es aber schon: nach der ersten Sichtung der Anträge könnte das Budget von 30.000 Euro überschritten werden.
Bezirksforen
Fünf Bezirksforen, für jeden Bezirks eins, führt die Stadt Gelsenkirchen nun im dritten Jahr durch. Die Summe, die hier vergeben wird, ist abhängig von der Größe des Bezirks.
Zwei Bezirksforen stehen noch aus: Am Montag, 30. September, werden für den Bezirks Mitte ab 18 Uhr im Hans-Sachs-Haus, Ebertstraße 11, insgesamt 65.000 Euro vergeben. Am Dienstag, 1. Oktober, können sich Menschen, die im Bezirk Ost aktiv sind, ab 18 Uhr mit ihrem Projekt in der Aula der Gesamtschule Erle, Mühlbachstraße 3, um einen Teil von 30.000 Euro bewerben.
Wie bei jeder Ausgabe des Bezirksforums gibt es für die Besucher einen Grundkurs in Sachen kommunaler Haushalt. Karin Welge erklärt, das Geld, das hier und heute vergeben wird, stammt aus dem fünfprozentigen Anteil für freiwillige Aufgaben. „Für das, was uns am Herzen liegt, was wir uns leisten, damit diese Stadt lebens- und liebenswert ist.“
Neue T-Shirts für Grundschüler
Jetzt dürfen die Horster Bürger ran. Öffentlich stellen sie sich und ihren Wunsch vor. Da ist die OGS der Grundschule Schloss Horst, die 1500 Euro beantragt für neue Shirts und deren Beschriftung. „Auf denen steht eine Notfallnummer“, erklärt eine Mitarbeiterin. Für den Fall, dass ein Kind verloren gehe und nicht zurück finde. Die alten Shirts haben ausgedient. „Das ist ein Unsicherheitsfaktor.“ Auch Dirk Wobser von der Werbegemeinschaft Horst Süd hat einen Wunsch: Einen Zuschuss von 2500 Euro für die Weihnachtsbeleuchtung an der Markenstraße. Die habe man sonst aus eigenen Mitteln gestemmt. Mittlerweile übersteige das aber die Möglichkeiten der Kaufmannschaft.
Reinhold Adam ist gekommen, um Unterstützung zu bitten für eine Gedenkveranstaltung für die verunglückten Grubenarbeiter von Nordstern. „Das machen wir alle fünf Jahre unter dem Motto, wir werden euch nie vergessen.“ 650 Euro hätte er gern. Das Raunen im Raum zeigt, damit berührt er viele. Das gelingt auch Günther Wagner, der für eine ältere Dame einen Wunsch vorträgt. Über 90 Jahre alt sei sie und gehe täglich ins Schwimmbad. Jedoch falle es ihr und ihren Freundinnen schwer, die Treppen hoch zu steigen. Eine Rampe wäre hilfreich. 750 Euro ist hier der Wunsch. Die Stadtkämmerin greift das später, noch vor der Beratung, auf. „Das ist ein bautechnisches Problem“, verspricht sie, sich an anderer kommunaler Stelle dafür einzusetzen. „Es wäre ihnen ja auch nicht geholfen, wenn wir ihnen das Geld geben und sie müssen die Rampe selbst bauen.“
Unterstützung für Karnevalsumzug
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Für den Kinderumzug am Sonntag vor Rosenmontag bittet Julian Nienhaus vom Ausrichter KC Astoria um Unterstützung. Gebraucht werde da so einiges, unter anderem ein Zelt, in welchem sich die Garden umziehen könnten, die dann auf dem Josef-Büscher-Platz auftreten. 3000 Euro sind der Wunsch. Für eine öffentliche Veranstaltung bittet auch der Förderverein Schloss Horst um Unterstützung: Im nächsten Jahr finde wieder ein Gaudium statt – erstmals über vier Tage. „Das kostet dann natürlich auch mehr“, sagt Wolf Hoffmann, der sich wünscht, das Ritterturnier werde mit 3500 Euro unterstützt. Besonders charmant ist der Antrag der Horster Bürgerin Helga Töpfer. Für die Streuobstwiese im Nordsternpark möchte sie Nistkästen anschaffen. Die Anbringung und die Betreuung übernehme der Ziegenmichel. Kostenpunkt: 400 Euro.
Dann wird es kurios: Zahlreiche Fördervereine von Schulen sind gekommen, einen Antrag zu stellen. Sie alle unterscheiden sich gering. „Trommelzauber“ ist das Wort der Stunde. Die Kleinen sollen ein Percussion-Erlebnis haben – scheinbar an nahezu jedem Schulstandort im Bezirk.
WDR überträgt live die Geldervergabe
Am Ende dieser Runde weist die Tabelle, die vorn an eine Leinwand geworfen wird, ein dickes Minus auf. Rund 65.000 sind beantragt. Weniger als die Hälfte steht zur Verfügung. Jetzt steht allen die eigentliche Herausforderung dieses Abends bevor: „fair teilen“. Karin Welge bittet: „Gehen sie doch mal ein bisschen mit sich selbst in Klausur.“ Soll heißen, jeder muss sich fragen, ob er sich in Verzicht üben kann im Sinne der Gemeinschaft. Einigen fällt das nicht schwer. Sie gehen nach vorn, reduzieren ihre Summe um ein paar hundert Euro. Das erntet Respekt, löst aber das Problem noch nicht. Jetzt muss die Verwaltung die Köpfe zusammen stecken, während eine Live-Schalte im WDR die ungewöhnliche Art der Geldervergabe in Gelsenkirchen vorstellt.
Bezirksbürgermeister Joachim Gill ist stolz auf „seine“ Horster und ihren Willen, den Bezirk zu beleben. „Da sieht man, wie vielfältig die Bedürfnisse sind – vom Klohäuschen bis zu Adrianos Weihnachtswelt.“ Wobei Adriano Gobbo öffentlich gar keinen Antrag gestellt hatte. Er sei übersehen worden, beklagt er und reicht sein Plakat nach. Ohne Erfolg. „Wir haben oft genug gefragt“, sagt die Stadtkämmerin, als die Entscheidung klar ist. Mal wieder ist es geschafft: von den 38 Anträgen gehen nur sehr wenige leer aus, weil andere Wege hier gangbar sind. Das Gros wird positiv beschieden. Jedoch bekommen alle weniger als erhofft. Die meisten freuen sich dennoch. Nur einige wenige brauchen wohl noch ein Weilchen, um nicht den Verlust einer größeren jedoch fiktiven Summe zu sehen sondern den Erhalt einer kleineren aber realen.