Gelsenkirchen-Buer. Eine erhöhte Fleischsteuer klingt gut. Doch Gelsenkirchener Landwirte halten den Vorschlag für völlig absurd. Auch mit Blick auf das Tierwohl.

Für das Klima und das Tierwohl sollen Verbraucher demnächst mehr für ihr Schnitzel, den Burger und das Steak bezahlen. In seltener Übereinstimmung fordern Politiker von der Union über die SPD bis zu den Grünen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von Fleisch von bisher sieben auf 19 Prozent. Auch, wenn die Idee bei Befürwortern Bilder von glücklichen Kühen auf grünen Wiesen und sich suhlenden Schweinen produziert, halten die Landwirte das Vorhaben für „absurd, völlig daneben“ oder schlicht „Augenwischerei“.

„In einer globalisierten Welt bringt diese nationale Forderung nichts“, glaubt Friedrich Steinmann, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, zu dem auch Gelsenkirchen gehört. „Wenn das Fleisch für den Verbraucher teurer wird, setzen die Unternehmen von Aldi bis Edeka, Netto und Rewe uns als Erzeuger eher weiter unter Druck“, ist er überzeugt. Auch, wenn national in Zukunft weniger produziert würde, blieben die Fleischtheken und Kühltruhen weiterhin prall gefüllt.

Fleisch aus Rumänien und Russland wäre eine Alternative

Mehrwertsteuer: Das gilt bisher

Im April 1967, unter dem Finanzminister Franz-Josef Strauß, beschloss der Bundestag die Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland. Am 1. Januar 1968 trat sie in Kraft. 200 Milliarden Euro fließen inzwischen Jährlich in die Kassen des Finanzministeriums.

Dabei gilt bisher: Grundnahrungsmitteln wie Obst, Fleisch oder Gemüse werden mit sieben statt der üblichen 19 Prozent besteuert. Das könnte sich jetzt ändern.

Dann bezahlt der Verbraucher beispielsweise für ein Kilo Schweineschinken statt 4,99 Euro dann 5,55 Euro. Übrigens: Auch Bio-Fleisch würde höher besteuert.

„Wir produzieren in Westeuropa auf einem ziemlich hohen Niveau“, ergänzt Hubertus Hölscher, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins Buer. Wenn in Deutschland die Fleischproduktion gedrosselt würde, würde das Fleisch in Zukunft eben aus Rumänien oder Russland angekarrt. 2000 Kilometer Transport – eine Distanz, die sich nicht gerade gerade positiv auf die CO2-Bilanz und den Klimaschutz auswirken würde.

Ein geringerer Fleischkonsum könne nicht über einen erhöhten Preis durchgesetzt werden, den Friedrich Steinmann zudem als „unsoziale Forderung“ kritisiert, sondern laut Hölscher nur über die Köpfe der Verbraucher. „Jeder Einzelne ist hier gefragt“, sagt er. Die politische Forderung habe keinen Einfluss auf Massentierhaltung, die Produktion von Billigfleisch und Überkapazitäten.

Mittlere und kleine landwirtschaftliche Betriebe geben auf

Ganz im Gegenteil. „Unter einem weiteren Preisdruck werden gerade die mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, diejenigen, die man eigentlich halten will, aufgeben“, sagt Steinmann. Große Betriebe würden weiter rationalisieren, um den Preisverfall aufzufangen.

Hubertus Hölscher, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins Buer.
Hubertus Hölscher, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Lokalvereins Buer. © FFS | Joachim Kleine-Büning

Denn das dieser durch Finanzspritzen aus der Mehrwertsteuer-Erhöhung aufgefangen werden wird, glaubt in Reihen der Landwirte niemand. „Bei den Bauern kommt kein einziger Cent an“, schimpft Hölscher. Finanzielle Versprechen habe es in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. „Und hinterher hat man uns die lange Nase gezeigt.“

Der Landwirtschaftsverband zweifelt zudem an, dass die erhöhte Mehrwertsteuer überhaupt an die Landwirte weiter gegeben werden könne. Bisher gebe es keine Zweckbindung von Steuereinnahmen, etwa für mehr Tierwohl. Steuereinnahmen seien grundsätzlich nicht zweckgebunden. „Das bedarf im einfachsten Fall eines neuen bürokratischen Aufwandes, der bereits einen Großteil der Einnahmen auffrisst“, sagt Hölscher. Mit knapp sechs Milliarden Euro wird eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Fleisch kalkuliert.

„Das Vorhaben ist absurd.“

„Da muss unser Wirtschaftsminister das Geld zunächst an die Landwirtschaftsministerin überweisen“, sagt Steinmann. Da Tierwohl ja meist auch über bauliche Maßnahmen definiert werde – größere Ställe, mehr Auslauf – spiele dann auch noch das Baurecht in die Planungen hinein. Und hier wird’s kompliziert. Denn das Bestimmen im Kuhstall obliegt dem Land und nicht dem Bund. „Das Vorhaben ist einfach absurd“, so Steinmann.