Hassel. Melanie Schlegelmilchs Vorgarten in Gelsenkirchen ist ausgezeichnet ökologisch. Sie erklärt ihren Balanceakt zwischen Verwildern und Pflegen.
Das System hinter dem auf den ersten Blick völlig verwildert wirkenden Vorgarten von Melanie Schlegelmilch erschließt sich erst beim zweiten Hinsehen. Die Natursteine und Dachziegel, die überall verstreut zu kleinen Haufen und Mauern aufgetürmt sind, die verwitternden Überreste gefällter Bäume, die Pflanzen, die das gesamte Gelände erobert haben: Sie alle sind Heimat von unzähligen Krabbeltieren und Vögeln.
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„Uns war wichtig, dass die möglichst viele Arten Lebensraum und Nahrung finden“, fasst Melanie Schlegelmilch das Gartenkonzept zusammen, das sie und ihr Mann Stephan verfolgen. Erst vor gut drei Jahren haben sie das alte Pfarrhaus mit dem riesigen Grundstück an der Oberfeldinger Straße in Hassel bezogen. Seitdem ist die Sozialarbeiterin ständig auf der Suche nach neuen Ideen, um die Grünflächen, die das imposante große Haus umgeben, ökologisch umzugestalten. Mit Erfolg. „Es tut sich so viel, sobald man anfängt, etwas zu tun“, sagt sie und fügt hinzu: „Oder es eben lässt.“
Abwarten oder eingreifen?
Der Natur so viel Raum wie möglich geben – das meint Schlegelmilch nämlich nicht nur im räumlichen Sinne. Sie will den Pflanzen auch Zeit geben, sich selbst auszubreiten. So wie auf der bunten Bienenweide rechts vom Haus. Oder der Blumenwiese davor. Oder den Sträuchern entlang der Einfahrt. Die Hobbygärtnerin greift nur ganz gezielt in die Vegetation ein, wie sie erzählt. „Ich achte auf die Balance. Keine Art soll Überhand nehmen.“
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Am liebsten beobachtet sie, welche Tiere sich zwischen Totholz und Steinen und in den zahlreichen Insektenhotels ansiedeln. Da sind die Wildbienen, deren Bauten sogar in Spalten der Hausmauer zu finden sind. Und die Hummeln, die in dem großen Totholzhaufen vor dem Haus ihr Nest gebaut haben. Aber auch zahllose Käfer, Tausendfüßer und Regenwürmer. „Hier leben so viele bodennistende Arten, dass ich mich gar nicht traue, irgendwo hinzutreten“, sagt Schlegelmilch.
Für diese Tierliebe hat die 39-Jährige jetzt sogar einen Preis gewonnen. Beim Vorgarten-Wettbewerb des Stadtteilbüros Hassel/Westerholt/Bertlich zeichnete die Jury sie mit dem Sonderpreis für ökologische Gestaltung aus. „Durch die Bepflanzung wird ein vielgestaltiger Lebensraum für Vogelarten und Insekten entwickelt“, begründen die Richter ihre Entscheidung. Eine, mit der Melanie Schlegelmilch nie gerechnet hätte: „Es wird auch bewertet, wie gut der Garten ins Straßenbild passt und meiner fällt ja völlig aus dem Rahmen“, sagt sie.
Als nächstes soll der Asphalt weg
Die Hobbygärtnerin bloggt auch
Ihre Leidenschaft für Gartengestaltung teilt Melanie Schlegelmilch im Internet. Auf ihrem Blog „Frau Farn“ gibt sie unter anderem Tipps zu Gartenkonzepten, Pflanzenauswahl und Selbstversorgung. Außerdem finden Interessierte dort Rezepte für Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten.
Neben vielen Fotos finden sich dort auch Erfahrungsberichte aus Schlegelmilchs eigenem Garten. Die Seite ist unter der Webadresse www.fraufarn.de im Internet zu finden.
An ihrem Konzept will sie, nun sogar bestärkt durch die Juryentscheidung, weiter festhalten. Als nächstes soll die asphaltierte Auffahrt umgestaltet werden: Der Beton soll weg und auch die Forsythien müssen weichen – und Platz machen für insektenfreundlichere Blühpflanzen.
Genau diese Blumen möchte sie auch in der Nachbarschaft verteilen. Ein Kasten am Gartenzaun mit der Aufschrift „Wildblumen für alle“ soll Passanten animieren, eine der selbstgepackten Saatbomben mitzunehmen und im heimischen Garten auszusäen. So kann sich jeder neben Inspiration auch ein Stückchen des verwilderten Flairs mit nach Hause nehmen.