Gelsenkirchen-Erle. . Gelsenkirchen-Erle zelebriert eine Institution: die Trinkhalle. Zum Fest am Gartmannshof kommen etliche Besucher – und die „Perle von Erle“.
„Von der Lippe bis zur Ruhr“, singt Ilona Goldstein. Begleitet wird sie von ihrem Mann Alfred. Natürlich lässt es sich die „Perle von Erle“ nicht nehmen, für das Musikprogramm zu sorgen. Gefeiert wird die Gemeinschaft im Ortsteil, im Quartier – und das „Anne Bude“ am Gartmannshof und im Rahmen des Stadtbezirksfestes Ost.
„Das war immer eine Herzenssache von mir“, erzählt Heimatforscher Hubert Kurowski. „Zum Ende des Steinkohlenbergbaus war ich hier unterwegs mit Ingo Zamperoni von den ,Tagesthemen’. Der wollte eine typische Bude sehen. Diese hier kannte ich aus meiner eigenen Kindheit. Als wir dann hier waren dachte ich sofort, was für ein Prachtstück. Da muss man was machen“, erklärt der Erler, der sogleich ein Fest im Sinn hatte. Wo doch die Bude ihren 90-jährigen Geburtstag feiert.
Im Mittelpunkt des Festes steht die Bude
Kurowski hatte ein paar Zahlen und Fakten parat
Hubert Kurowski wartete auch mit ein paar Zahlen auf. Etwa damit, dass über die Hälfte der Kunden einer Bude statistisch gesehen unter 30 Jahre alt sind. Für den Nachwuchs in Sachen Kundschaft sorgen gemischte Tüten also bestens.
Beeindrucken konnte der Heimatforscher auch mit diesem Fakt: 2010 machten alle Buden in Deutschland einen Gesamtumsatz von 7,5 Milliarden Euro.
Jede Zeit habe zudem ihre Bestseller gehabt. Das sei vor etlichen Jahrzehnten die Wundertüte gewesen für die Kleinen. In den 70er-Jahren übernahm dann das Schokokuss-Brötchen den Spitzenplatz.
Bezirksbürgermeister Wilfried Heidl war schnell überzeugt. „Man muss ja auch mal was Neues ausprobieren. Damit endlich mehr los ist in Erle.“ Er bringt sich auch ins Geschehen ein, hat ein Kinderspiel von einst dabei: „Pitschendopp“. Da treibt man mit einer Peitsche einen Kreisel an. Dazu wird es einen Wettbewerb im Sackhüpfen geben und einen Eierlauf. Zur Musik vergangener Tage und einigen Texten rund ums Büdchen, vorgetragen von Isabel Kurowski, entfaltet sich schnell das Flair vergangener Zeiten – mitten im Quartier und auf der gesperrten Straße, die nun Platz bietet für zahlreiche Klappbänke.
Im Mittelpunkt aber steht die Bude. Die hat nicht nur von außen Charme. An den Scheiben sind unzählige Leckereien zu sehen, stehen viele Behälter mit Weingummi – für die gemischte Tüte. Drinnen ist das zuweilen recht enge Reich von Elke Mainka. Seit zehn Jahren. Auch das Jubiläum geht in die heutige Feier ein. „Gegründet wurde die Bude von Willi Mommel. Alle sagten immer nur, wir gehen zu Mommel. Als wir vor zehn Jahren übernahmen, suchten wir einen Namen. Mein Mann, der hier aufgewachsen ist, sagte gleich: Mommel.“ Gutes bleibt eben.
Auch in Sachen Angebot: „Wir haben über 100 lose Stückartikel. Ich schaue immer, dass ich auch Sachen bekomme, die man von früher kennt. Zum Beispiel Schleckmuscheln, Veilchen oder Knöteriche“, so Elke Mainka. Für das Büdchen schlägt ihr Herz. „Wir machen das alles mit Liebe.“ Man sei mehr als nur Verkaufsstelle, sei Treffpunkt, nehme Teil am Leben der Menschen im Viertel. „An Halloween schmücken wir alles ganz toll für die Kinder. An Weihnachten natürlich auch. Da haben wir großen Spaß dran.“
Überlegungen zur Neuauflage 2020
Informativ wird es im Verlauf des Tages auch noch. Da erzählt Hubert Kurowski, dass die Buden ihren Ursprung im entfernten Persien haben. Davon zeuge auch das Wort „Kiosk“. Der durstigen Bergleute wegen seien diese auch hier im Revier installiert worden – und legten eine Erfolgsgeschichte hin. „Was mich an der Kiosk-Kultur so fasziniert ist, dass man nostalgisch zurück blicken kann. Jeder hat seine eigenen Erinnerungen daran. Und das Phänomen hat bis heute Bestand. Hier vereint sich alles, was wir uns wünschen: Nachbarschaft und Gemeinschaft“, so Hubert Kurowski.
Ilona Goldstein singt von der „Heilen Welt“. Das passt. Wilfried Heidl bringt es zum Schunkeln. Er ist zufrieden: „Nach der ersten Stunde würde ich fast sagen, wir machen das im nächsten Jahr wieder.“