Gelsenkirchen-Erle. . Fast drei Jahrzehnte kümmerte sich Wolfgang Schlüter im Erler Tierheim um das Wohl der Tiere. Bericht in der WAZ gab Anstoß zum Neuanfang.

„Am Anfang habe ich gedacht, lieber Gott, was hat Sisyphos es leicht gehabt“, erinnert sich Wolfgang Schlüter an die ersten seiner 27 Jahre als Tierheimleiter. „Man sieht das ganze Elend und muss damit fertig werden. Da habe ich mir angewöhnt, das Schlechte immer mit dem Guten zuzudecken.“

Denn immer habe es auch Momente voller Hoffnung und Glück gegeben. Die Erinnerung an diese nimmt er nun gerne mit, wenn er zum Monatsende in Rente geht.

WAZ-Bericht gab Anstoß zum Ausstieg

Wolfgang Schlüter und seine Frau sind echte Aussteiger. Der Begriff war damals, Anfang der 90er Jahre, noch nicht in aller Munde. Die Entscheidung, das berufliche Leben komplett umzukrempeln, war sicherlich auch nicht selbstverständlich. „Wir wollten unsere Berufe wechseln. Es war einfach keine Befriedigung mehr. Es ging nur noch darum, uns selbst und den Verdienst zu steigern“, erzählt der gelernte Kaufmann. „Wir wollten etwas Soziales machen. Wo man den Erfolg der Arbeit sehen kann.“

Thorsten Wiese tritt die Nachfolge an

Ein endgültiger Beschluss des Vorstandes steht noch aus, allerdings ist die personelle Nachfolge Wolfgang Schlüters schon geklärt. Sein Nachfolger wird der langjährige Tierheim-Mitarbeiter Thorsten Wiese. Zudem übernehmen Annika Gehrmann und Christian Allgäuer als Stellvertreter Verantwortung.

Damit ändert sich auch die Personalstruktur etwas. Bislang gab es einen Leiter und einen Stellvertreter. Die Vergangenheit aber zeigte, das reicht mitunter nicht. Nun teilen sich drei Menschen die Aufgabe, damit der einzelne auch mit gutem Gewissen mal in den verdienten Urlaub fahren kann.

Dann mischte das Schicksal mit: „An einem Samstagmorgen saßen wir beim Frühstück und lasen die WAZ. Da stand in einem Artikel, dass das Tierheim ein neues Leiter-Ehepaar sucht.“ Gut erinnert sich Wolfgang Schlüter an das Vorstellungsgespräch. „Wir brauchten etwas Bedenkzeit.“ Insbesondere, was die neue finanzielle Situation betraf.

Tierheimleiter hat Residenzpflicht

„Der Verdienst war nicht mehr so wie vorher“, sagt Wolfgang Schlüter und lacht. Trotzdem wagten die Schlüters den Neubeginn – gleich auf mehreren Ebenen. Der Tierheimleiter nämlich hat in Gelsenkirchen Residenzpflicht, wohnt auf dem Gelände am Rande der Zwinger. „Die Umstellung war schon erheblich. Die Geräuschkulisse war man nicht gewohnt.“

Es dauerte, erzählt der künftige Pensionär, bis er das Bellen der Hunde unterscheiden konnte, die Botschaften dahinter verstand. Mit den Jahren wusste er genau, ob die Tiere einfach unruhig waren oder gar vor einem Eindringling warnten.

Mit gutem Gewissen

Jene gab es in den vielen Jahren etliche. Manche Gegebenheiten taugen noch heute als unterhaltsame Anekdote: „Gleich im ersten Jahr gab es abends einen Höllenlärm. Da hämmerte jemand ans Tor. Ein Taxi stand vor der Tür. Es stellte sich heraus, es handelte sich um einen Mann, der bis zum späten Abend in einer Kneipe versackt war und sich so spät nicht mehr nach Hause zu seiner Frau traute – ganz ohne Geschenk. Und so wollte der von mir schnell einen Yorkshire-Terrier haben.“

Nicht das einzige kuriose nächtliche Erlebnis. „Ein anderes Mal weckte mich das Bellen. Ich hörte schon, da ist jemand im Tierheim. Aber ich konnte denjenigen erst nicht sehen. Bis ich dann in unseren Trödelladen gegangen bin. Da habe ich den Mann gefunden. Der hatte alle Vasen der Größe nach sortiert und fein säuberlich in Reihe aufgebaut.“

Arbeits- und Lebensraum

Bei solchen Erinnerungen lacht Wolfgang Schlüter herzlich. Doch ebenso empfindet er in diesen Tagen Wehmut. So lange war ihm das Tierheim Arbeits- und Lebensraum. „Ich bin sehr froh, dass ich früh genug los gelassen habe“, berichtet er, dass die Übergabe der Verantwortung an andere lange vorbereitet wurde.

Wolfgang Schlüter: „Und so gehe ich jetzt mit gutem Gewissen.“