Gelsenkirchen-Buer. . An der GBM müssen Flüchtlingskinder integriert werden. Schule entscheidet ohne Beteiligung von Eltern, welche Kinder in die neue Klasse wechseln.
Sie haben geweint, protestiert und 52 Unterschriften der Schulleitung überreicht. Sie haben auf dem Schulhof gestreikt und sich für die versäumte Stunde eine Sechs eingefangen: Die Schüler und Schülerinnen der 6. Klassen der Gesamtschule Buer-Mitte wollten damit verhindern, dass ihre Klassen zum Ende des Schuljahres auseinander gerissen werden.
Bis zu sieben Kinder müssen im neuen Schuljahr ihre Klassen verlassen, werden in eine neue gesteckt. Die dann freien Plätze werden mit Kindern aus Internationalen Förderklassen (Ifö) aufgefüllt.
Schüler fühlen sich übergangen
Papa Roberto Santulli macht zu Beginn des Gesprächs mit der WAZ klar: „Wir haben nichts gegen die Flüchtlingskinder. Sie können genau so wenig zu dieser Situation wie unsere Kinder. Wir haben etwas gegen das Vorgehen der Schule.“
Schüler und Eltern fühlen sich im Stich gelassen, übergangen. Am 7. Mai wird den Kindern im Unterricht eine „Information zur Mehrklassenbildung“ in die Hand gedrückt. Da erfahren die Schüler noch vor ihren Eltern, dass ihr Klassenverband auseinandergerissen werden soll.
Keine offene Diskussion
„Sie kamen ängstlich und verstört nach Hause“, berichtet Sabrina Bühne. Eltern und Schüler verstehen nicht, warum die Problematik nicht eher offen diskutiert wurde. Schließlich wurden die Ifö-Klassen 2016 eingerichtet. „Da hätte man doch wissen müssen, dass Schüler in der 7 in den Regelunterricht wechseln.“
Im Prinzip haben die Eltern Recht. Aber: Alle Verantwortlichen – Schulleitung, Stadt und Bezirksregierung – erklären unisono: So einfach ist das nicht. „Wir haben in Gelsenkirchen deutlich weniger Gesamtschulplätze als von den Eltern gewünscht“, sagt Ludger Müller, Dezernent bei der Bezirksregierung in Münster. Man müsse die Klassen mit den vom Ministerium vorgegebenen 29 Schülern füllen, „ansonsten können sich abgewiesene Schüler einklagen“.
138 Ifö-Klassen in Gelsenkirchen
Hinzu komme, dass man nicht konkret sagen könne, wann die Kinder aus den Ifö-Klassen in die Regelschule wechseln können. Das hänge von der Lernfähigkeit der Kinder ab. Erschwerend komme in Gelsenkirchen hinzu, dass hier überproportional viele Kinder die Ifö-Klassen besuchen. „Wir reden nicht nur über Flüchtlinge, sondern auch über Kinder aus Osteuropa“, so Müller. Im gesamten Regierungsbezirk Münster sei Gelsenkirchen die Stadt mit den meisten Kindern in Ifö-Klassen.
138 Klassen gibt es davon in ganz Gelsenkirchen, sagt Stadtsprecher Oliver Schäfer. Für die GBM, an der die Schüler etwas mehr als zehn Prozent ausmachen, setzen sich die Anteile laut Stadt wie folgt zusammen: 4,3 Prozent Flüchtlinge, 4,3 Prozent Rumänen und 1,7 Prozent Bulgaren. Die Kinder aus den Ifö-Klassen werden zwischen 13 und 15 Jahren alt sein, wenn sie in die 7. Klasse kommen.
Wünsche bleiben unberücksichtigt
„Die Sondersituation in Gelsenkirchen mit dem hohen Anteil an Kindern, die aus Osteuropa nachgekommen sind, wird vom Ministerium nicht berücksichtigt“, sagt GBM-Schulleiterin Ulrike Purz. Für die neue 7. Klasse habe die Schulleitung die Kinder „nach den Kriterien ausgesucht, die für Klassenneubildungen im 5. Jahrgang gelten. Wenn gleiche Kriterien auf mehrere Schüler zutrafen, haben wir gelost“, so Purz. „Wenn möglich, wird der Wunsch der Eltern berücksichtigt.“
Wurde er aber nicht, sagen Eltern und Schüler. „Ich wechsel freiwillig“, hatte der zwölfjährige Chris seinen Lehrern gesagt. „Das wollten sie berücksichtigen“, berichtet er über das Gespräch mit den Lehrern. Doch nach der Entscheidung Mitte Juni darf Chris in seiner alten Klasse bleiben. Im Gegenzug wurden David und Samuel, die darum gebeten hatten, nicht getrennt zu werden, in unterschiedlichen Klassen untergebracht. „Als wir nach der Entscheidung zu dritt bei der Schulleitung um einen entsprechenden Tausch gebeten haben, wurde uns mitgeteilt, dass es jetzt zu spät sei. Die haben uns nicht ernst genommen.“
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Die Kinder sind die Verlierer
Der Frust vor Ort ist verständlich. Da werden in Düsseldorf oder Berlin Theorien in Gesetze gepackt, die die Kommunen praktisch umsetzen müssen. Die Situation an der GBM, dass Klassenverbände auseinandergerissen werden, um Ifö-Schüler unterzubringen, wird kein einmaliges Phänomen bleiben. Das gab’s bereits im letzten Jahr und es wird sich in den nächsten Jahren wiederholen.
Mal abgesehen, dass man von den Verantwortlichen an der GBM mehr Sensibilität einfordern kann, müssen Bund und Land die Basis schaffen für eine praktikable Willkommenskultur. In diesem Fall heißt das konkret: Es muss Sondergenehmigungen für gebeutelte Kommunen wie Gelsenkirchen geben. Es muss möglich sein, in der Sekundarstufe mit weniger Kindern zu starten, um im Laufe der Jahre Kinder aus den Ifö-Klassen in diese Jahrgänge zu integrieren, ohne Klassengemeinschaften auseinanderzureißen. Jetzt sind alle Kinder die Verlierer: Die Traurigen, die getrennt wurden, und die Neuen, die für die Trennung „verantwortlich sind“. Eine solche Politik schafft Verdrossenheit.