Gelsenkirchen-Buer. . Für die einen ist Wellpappe Müll, für Norbert Feldmann Material für seine künstlerischen Arbeiten, die er nun im Kunstkiosk Buer zeigt.

Ohne sie? Wäre der Siegeszug der Discounter fast nicht denkbar. Und der des Onlinehandels erst recht nicht: Wellpappe ist zum Verpacken und Verschicken unverzichtbar. Dass sie aber nicht nur als Regal-Ersatz und Stoß dämpfende Hülle taugt, sondern auch als Werkstoff für eine künstlerische Auseinandersetzung, ist derzeit im Kunstkiosk in Buer zu besichtigen. Norbert Feldmann zeigt dort noch bis Ende Dezember Reliefs und Skulpturen aus Wellpappe.

Was der Bueraner präsentiert, ist eine Wundertüte aus Werken mit Wellpappe, wie sie vielfältiger kaum sein könnten. Allen gemeinsam ist eine Dreidimensionalität, die oft mit Raumtiefe spielt und so für interessante Effekte sorgt.

Abstraktere Objekte und gegenständliche Skulpturen

Hier ein Fußballfeld, dort ein  ironisch gebrochener Herkules (rechts, Mitte): Feldmann mag sich nicht in Schubladen stecken lassen.
Hier ein Fußballfeld, dort ein ironisch gebrochener Herkules (rechts, Mitte): Feldmann mag sich nicht in Schubladen stecken lassen. © Oliver Mengedoht

Um diese zu erzeugen, schneidet der gelernte Gestalter (63) in seiner Werkstatt in Buer in akribischer Kleinarbeit unterschiedlich große Streifen des Materials zurecht und leimt sie Schicht für Schicht zusammen. Die dabei entstehenden mal großflächigen, mal kleinformatigeren Platten werden dann mit der Säge oder Fräse bearbeitet, „einige Bereiche schleife ich auch ab, um sanfte Übergänge zu erzeugen“, erläutert Feldmann seine zeitaufwendige Technik.

Das Ergebnis sind abstraktere Objekte oder gegenständlich anmutende Skulpturen wie „Babylon“: Die Papp-Platten sind auf einem hohlen Baumstamm zu einem Turm mit Treppenwirrwarr verbunden, das das biblische Bild vom Babylonischen Turm in Szene setzt. In „Jubelgruppe“ reißen unterdessen Figuren – nur als Silhouetten angedeutet – in ausgelassener Feierlaune die Arme hoch. Da Feldmann sie vor einem vergitterten Fenster platziert hat, wirkt die Szene ironisch: als wollte der Künstler den Grund für die Freude kritisch hinterfragen.

Mythos-Held Herkules muss auch „müssen“

Er greift immer wieder grundsätzliche Lebensfragen rund um die (Entscheidungs-)Freiheit des Menschen auf. Aus dem Exponat „Werde es, was es wolle“ etwa wachsen an den verschiedensten Stellen Stufen und Treppen in den Raum. „Damit möchte ich die vielen Möglichkeiten versinnbildlichen, die sich uns jeden Tag bieten und es erschweren, sich zu konzentrieren, Entscheidungen zu fällen und zu sich selbst zu finden.“

Eindeutige Positionen scheut Feldmann nicht. In „Herkules“ entzaubert er die gern überhöht dargestellte Mythenfigur, indem er das nackte Gesäß der Lüpertz-Skulptur vom Horster Nordstern-Turm als Foto ins Zentrum stellt. Auch Helden müssen eben mal „müssen“ (augenzwinkernd inszeniert mit einer braunen Kastanie).

Sein neuer Themenschwerpunkt findet sich auch bereits in der Ausstellung. „Mich fasziniert die Frage, was vor dem Urknall war. Also habe ich versucht, das Ganze als schwarze Fläche mit Gravitationswellen anzudeuten. Dazu werde ich bestimmt weiter arbeiten.“