Anna Müller wird am Sonntag 100 Jahre alt. Sie liebt das Leben, verpasst keine einzige Preziosa-Premiere und drückt den Knappen die Daumen
In einem Gespräch mit einer Alterjubilarin, die bald einen runden Geburtstag feiert, muss natürlich auch die Frage nach dem Geheimnis eines langen Lebens gestellt werden. Anna Müller zögert einen Moment, überlegt und spricht eher eine Vermutung aus: „Vielleicht sind es die Gene?“
Auf jeden Fall. Aber es ist auch das Leben, das Anna Müller jung gehalten hat, auch wenn sie jetzt überall die älteste ist – in der Theatergesellschaft Preziosa ebenso wie im Schalke-Fanclub „Alte Liebe“. Der morgige Sonntag ist Anna Müllers großer Tag: Dann wird die muntere Seniorin 100 Jahre alt.
Hellwache Reaktionen
Präzise Antworten, hellwache Reaktionen, ein verschmitztes Lächeln: Anna Müller weiß, wie sie ihre Gesprächspartner gewinnen kann. Über ihr hohes Alter sagt sie: „Ich fühle mich gar nicht alt.“
Am 18. Juni 1917 kam sie als Anna Höfert in Bochum zur Welt. Sie war noch ein kleines Kind, als ihre Familie nach Gelsenkirchen zog und in Ückendorf ein neues Zuhause fand.
Schule abgebrochen, um zu arbeiten
Die kleine Anna war gerade einmal neun Jahre alt, da verstarb ihre Mutter und für sie und ihre beiden Schwestern musste eine neue Familie gesucht werden. Anna Höfert hatte das Glück, dass sie in der Familie ihres Patenonkels bleiben konnte, die die drei Mädchen vorübergehend aufgenommen hatte.
„Die Mittelschule habe ich abgebrochen, um Geld zu verdienen“, erinnert sie sich an die folgenden Jahre, in denen sie bis etwa 1940 als Verkäuferin im Wattenscheider Warenhaus Hess gearbeitet hatte. 1939 heiratete sie ihren Ehemann Hermann Müller, bald wurden Sohn Horst und Tochter Christa geboren. Gut 50 Jahre wohnte sie an der Knappschaftsstraße, weitere neun Jahre gleich nebenan an der Ulmenstraße. Seit zwei Jahren ist das Begegnungs- und Pflegezentrum Am Schlosspark des Arbeiter-Samariter-Bundes am Schernerweg in Buer ihr neuer Lebensmittelpunkt.
Urkunden des Amateur-Theater-Verbandes NRW
„Kommen Sie mal mit, ich zeig Ihnen die Urkunden“, sagt Anna Müller, greift zum Rollator und führt den Besucher zum Eingangsbereichs ihres Zimmers. Dort hängen mehrere Urkunden des Amateur-Theater-Verbandes NRW. „Mein Großvater hat den Theaterverein gegründet, unsere ganze Familie hat Theater gespielt“, erzählt Anna Müller, die über Jahrzehnte aber lieber hinter und unter der Bühne gewirkt hat - als Kulissenbauerin und auch als Souffleuse. Klar, dass sie keine Premiere „ihrer“ Preziosa versäumt, schließlich ist sie dort Ehrenmitglied.
Mit ihrer umwerfenden Vitalität hat Anna Müller kürzlich auch Ingo Anderbrügge erstaunt. Als ältestes Mitglied des hauseigenen Fanclubs überreichte sie ihm einen Blumenstrauß und bedankte sich bei ihm für seinen Besuch. Das Steigerlied wurde gesungen und auch das Uefacup-Lied angestimmt.
„Schalke wird noch einmal Fußballmeister“
Ob es in ihrem Leben noch einmal etwas werden könnte mit der Meisterschaft? Anna Müller, die auch Mitglied einer Tippgemeinschaft („Ich habe aber noch nie etwas gewonnen.“) ist und sich jedes Schalke-Spiel im Fernsehen ansieht, zögert keinen Moment. Und fast sieht es so aus, als wundert sie sich darüber, wie man solch eine Frage überhaupt stellen kann. Denn ihre Antwort lautet: „Auf jeden Fall wird Schalke noch einmal Fußballmeister. Alle liegen mal auf dem Boden und stehen dann wieder auf.“