Gelsenkirchen-Buer. . Vor 40 Jahren wurde der Kult-Treff an der De-la-Chevallerie-Straße eröffnet. BAP, Grönemeyer spielten hier, als sie unbekannt waren.

  • Vor 40 Jahren wurde der Kult-Treff an der De-la-Chevallerie-Straße eröffnet
  • BAP, Grönemeyer, Extrabreit spielten hier, als sie noch völlig unbekannt waren
  • Am 18. Mai 1982 war Schluss mit Lustig: Die Pappschachtel brannte ab

Tanzende Rollstuhlfahrer, Kletterpartien auf den Fensterbänken, ausgelassene Stimmung auf dem Dach und endlose Partys: Am 1. April 1977 wurde das „Kommunikationszentrum Pappschachtel“ „für Leute von 1 bis 100 Jahren“ eröffnet.

Schnell wurde der eigentlich hässliche Pavillon an der De-la-Chevallerie-Straße, der von 1972 bis ‘76 die Sparkasse Buer beheimatet hatte, zu einem im Rückblick vielleicht etwas chaotischen aber ausgesprochen sympathischen Kulttreff.

Treffpunkt für die Subkultur

„In der Pappschachtel traf sich die Subkultur, die Linke, kommunistische Gruppen, die Hausbesetzerszene“, erinnert sich Joachim Polnauer, der damalige Leiter. Lila Latzhosen, bunt gebatikte T-Shirts, Jeans und Parka dominierten den Kleider-Dress. Strickende Mädels saßen neben Punks, zuweilen schauten auch ein paar Rocker vorbei. „Die haben ihre Waffen aber immer bei mir abgegeben“, erzählt Polnauer. Und wenn es dann mal zu Streitigkeiten kam, „haben sie das immer von Mann zu Mann regeln wollen“.

Viele Gelsenkirchener, die heute um die 50 Jahre alt sind, schwelgen noch in Erinnerungen an den Anarchismus, der dort ausgelebt werden durfte. Und natürlich beleben sie immer wieder gerne diese einzigartigen Momente, wenn unbekannte Bands, die heute zum Teil europaweit riesige Fußballstadien füllen, ihre ersten musikalischen Bühnenerfahrungen sammelten.

Songs wurden wiederholt

Herbert Grönemeyer gehörte dazu. Damals noch am Schauspielhaus in Bochum unter Vertrag, kam er eines Abends rüber, setzte sich im Jugendcafè ans Klavier und spielte seine ersten Songs. „Ich kannte ihn gar nicht, bin auch nicht zu diesem Konzert gekommen“, sagt Polnauer. „Das war ein Fehler“.

BAP spielten. Das Repertoire der damals noch unbekannten kölschen Band war noch nicht groß. Aber weil die Stimmung riesig war, forderte Wolfgang Niedecken seine Jungs am Ende auf, alle Songs noch einmal zu spielen. „500 DM haben die für den Gig bekommen“, sagt Polnauer. Und gerät ins Schwärmen, wenn er an den Auftritt von „Extrabreit“ denkt und den kollektiven Chor der Besucher, die vom Dach aus mit „Hurra, die Schule brennt“ die buersche Innenstadt beschallten.

getränke wandern in den Tresor

„Nach den Konzerten haben wir dann die Getränke und die Einnahmen im ehemaligen Tresor verstaut“, erzählt Polnauer. Der Tresor sei schließlich das einzig Massive in dem Gebäude gewesen.

Am 18. Mai 1982 war Schluss mit Lustig: Die Pappschachtel brannte ab. Es war Brandstiftung. Wer die Pappschachtel abgefackelt hatte, konnte bis heute nicht ermittelt werden. Ein wunderbares Kulturprojekt starb in dieser Nacht. Einen Ersatz gab es, trotz politischer Versprechen, nie. Und heute, sagt Polnauer, wäre dieses Experiment auch gar nicht mehr möglich.