Aus dem einstigen Zechenstandort an der Ressestraße wurde ein Lebensraum für Flora und Fauna. Ein Kapitel gelungenen Strukturwandels.
Strukturwandel im Ruhrgebiet, das ist eine ebenso große Begrifflichkeit wie Herausforderung. An einigen Orten ist er schon gelungen. Am einstigen Zechenstandort Hugo Ost an der Ressestraße erinnert auf den ersten Blick nichts mehr an die montanindustrielle Vergangenheit. Dort ist ein Ökosystem entstanden wie von anno dazumal. Genau das war die Vision von Tierarzt Dr. Hauke Holdefleiss. Sie hat dort Gestalt angenommen und bietet Lebensraum für Flora, Fauna und den Macher selbst.
„Alles greift hier ineinander“, erklärt Holdefleiss, der sich besonders auf dem Feld der Umweltpädagogik für Jugendliche stark macht. Egal ob sie als Mitglieder des dort beheimateten Pfadfinderstamms dabei sind oder über das Umweltdiplom: Sie sollen lernen, mit der Natur zu leben. Nur muss sie dafür auch da sein. Also forstete der Naturfreund auf: Gerade eben erst wurde die Lindenallee, die zum Gelände führt, wieder vervollständigt – mit Hilfe vieler fleißiger Hände und einiger Sponsoren.
Streuobstwiese auf dem Hügel
Auf dem Hügel entstand, wo zuletzt Zechenbauten gewichen waren, eine Streuobstwiese, ein kleiner Mikrokosmos der extensiv bewirtschaftet wird. Im Klartext: Fremdstoffe wie Dünger (und damit Stickstoff) oder Pestizide werden nicht eingebracht. In der Oberbewirtschaftung wachsen alte heimische Obstsorten, in der Unterbewirtschaftung am Boden grasen die Schafe, die eigens dafür auf Hugo Ost einzogen. Es sind nur ein paar, damit die Wiese ausreichend Futter bietet. Auch im Winter. „Sonst muss man zuviel zufüttern und die Ökobilanz leidet.“
Im Schaf-Paradies wurde gerade deutlich, wie wohl sich die Tiere fühlen. Gleich drei Lämmchen kamen in diesem Jahr zur Welt – zwei Böckchen und ein Schäfchen. Weil eine Zucht so viel Männlichkeit nicht verträgt, kann es später durchaus passieren, dass ein Tier geschlachtet wird. „Vom pädagogischen Konzept her ist es gut für junge Menschen zu sehen, wo das Fleisch her kommt. Dadurch entstehen Respekt vor dem Leben und Achtung vor dem Fleisch. Die Jugendlichen verstehen: Alles, was als Fleisch auf dem Teller liegt, hat einmal gelebt.“
Kein sattes Grün, sondern viele Wildkräuter
Mit ihrem Fressen beeinflussen die Tiere die Zusammensetzung der Pflanzen in der Streuobstwiese. „Das wird eine Magerwiese. Also kein sattes Grün, sondern viele Wildkräuter. Die bieten Lebensraum für Insekten.“ Demnächst soll die Obstwiese biozertifiziert werden: „Irgendwann wachsen hier Bio-Äpfel.“ Gelungener kann Strukturwandel kaum sein.
Hauke Holdefleiss hat noch mehr tierische Helfer. Eigentlich. „Bei den Bienen hatten wir in diesem Jahr viele Verluste. Wahrscheinlich spielen da viele Gründe eine Rolle. Zum Beispiel, dass es lange warm war im letzten Jahr, die Bienen lange gebrütet haben und im Winter kein Futter mehr hatten.“ Im vergangenen Jahr gab es schon eigenen Honig vom Zechenstandort. Dieses Jahr wird die Ernte wohl weniger groß ausfallen. Das aber steht für den Veterinärmediziner nicht im Vordergrund. Immer wieder geht es darum, ein Gefühl für die Natur zu vermitteln. „Die Jugendlichen, die hier her kommen, sollen mit der Natur umgehen lernen.“