Erstmals öffnete die RAG Montan Immobilien die Zeche Westerholt. Bei der Führung durch die alten Hallen wurde es zuweilen fast andächtig still

  • Erstmals öffnete die RAG Montan Immobilien die Zeche Westerholt in Gelsenkirchen und mehr als 50 Interessierte kamen
  • Jeder kennt jemanden, der dort gearbeitet hat. Und so wird es zuweilen fast andächtig, wenn Historie auf Gegenwart trifft
  • Der Verfall ist allgegenwärtig.Überall in den unter Denkmalschutz stehen Backsteingebäuden bröckelt der Putz von den Wänden

Das „Montankommando“ ist angerückt, fünf Ex-Kumpel aus Resse, Buer und Hassel, sowie 50 weitere Menschen. Sie alle wollen sehen, wie die Bergleute einst auf der Zeche Westerholt malochten und wie es heute dort aussieht.

Schließlich war es eine Premiere. „Wir öffnen erstmals am Tag des Denkmals das Gelände“, sagt Kim Troldner von der RAG Montan Immobilien. Zusammen mit den Mitarbeitern des Projektbüros Bergbaustandorte Silke Kulka (Herten) und Uwe Neukirchen (Gelsenkirchen) wagen sie an diesem Sonntag einen Blick zurück in die Vergangenheit und eine Prognose für die Zukunft.

Jeder ist in die Geschichte involviert

Die Gruppe könnte unterschiedlicher nicht sein. Auf seinen Stock gestützt, marschiert ein ehemaliger Mitarbeiter über das Gelände. „Ich habe die Zeche ab 1949 wieder aufgebaut“, sagt er. Neben ihm brummt ein Konzertpianist derweil: „Dieser graue Betonturm ist einfach ekelhaft. Da müsste man ein bisschen Dynamit reinschmeißen.“ Familienverbände sind unterwegs, vom Teenager bis zum Opa, zahlreiche Hobby-Fotografen und Paare wie Yvonne und Bernhard Franitza, die extra aus Essen angereist sind. „Mein Vater hat hier gearbeitet“, berichtet Yvonne Franitza.

Irgendwie ist jeder in die Geschichte involviert. Der Minimalansatz: Man kennt jemanden, der einen kennt, der dort gearbeitet hat. Und so wird es zuweilen auch recht still, fast andächtig, wenn Historie auf Gegenwart trifft. Der Verfall ist allgegenwärtig. In der Licht- und Lohnhalle bröckelt – wie überall in den unter Denkmalschutz stehen roten Backsteingebäuden – der Putz von den Wänden. Aus repräsentativen Zwecken hatte der preußische Staat ab 1907 prunkvolle gründerzeitliche Gebäude auf das Gelände bauen lassen. Morbider Charme bestimmt heute die Szenerie.

Ruhrpott-Kult

„Wenn man still ist, hört man noch die Bergleute“, sagt Norbert Nowitzki. Einen „sakralen Bau“ nennt er die Waschkaue. Während sich der Ex-Kumpel, der 22 Jahre auf Hugo malocht hat, eine Priese Schnupftabak gönnt, geht sein Blick gen Decke. In einem der hochgezogenen Körbe hat jemand seine grünen Badelatschen vergessen. „Das ist Ruhrpott-Kult“, schwärmt Nowitzki.

Früher, im Freibad, hätte man die Bergarbeiterfamilien und ihren Nachwuchs genau an diesen Latschen erkannt. „98,7 Prozent der Hasseler Jungen haben sie getragen. Immer viel zu groß“. Na, klar, Kindergrößen gab es auf dem Pütt nicht. „Noch heute“, sagt Nowitzki, „findest du die alten braunen Pütthandtücher am Pool von Malle.“

Eine ganz besondere Beziehung

Der Ruhri und seine Zechen – das ist eine ganz besondere Beziehung. „Mein Vater hätte seine Freude, wenn er sähe, dass ich hier bin“, ist Rita Huhne überzeugt. Der Vater hat wie der Onkel, der Opa, der Uropa auf der Zeche gearbeitet. „Wenn ich nach Ewald komme, bleibe ich immer am Kauenhaken 912 stehen“, sagt Rita Huhne. „Der gehörte meinem Vater. In so Momenten bin ich ihm sehr nahe“.