Vor 50 Jahren wurde die Zeche in Erle geschlossen. Heimatforscher Hubert Kurowski erinnert beim historischen Spaziergang an den Pütt
- Heimatforscher Hubert Kurowski erinnert beim historischen Spaziergang an die Schließung des Pütts vor 50 Jahren
- Mit den Jahren verschwanden die Zechentürme, die Bauten, die Wahrzeichen des Wohlstands der kleinen Leute
- An der Ecke zur Frankampstraße steht eine alte Mauer aus verwitterten Backsteinen – der letzte erhaltene Teil der Zechenmauer
Hubert Kurowski steht gegenüber einem gelben Haus. Ganz in der Nähe war einst die Zeche Graf Bismarck. Der Heimatforscher erzählt Dönekes: „Da, zwischen den Fenstern, da war mal ein Loch in der Mauer.“ Dann lässt er die Zuhörer raten, was es damit auf sich hat. „Da wohnte ein Obersteiger. Der hat öfter verschlafen. Deswegen beauftragte er einen Arbeiter, in der Frühe mit einem Hammer gegen die Hauswand zu schlagen, so lange, bis der Obersteiger rief, Glück Auf!“
Vor einer halben Stunde traf sich die große Gruppe, um auf den Spuren der Zeche Bismarck zu wandeln. Die prägte einst den Stadtteil . Vor 50 Jahren wurde sie stillgelegt. Mit den Jahren verschwanden die Zechentürme, die Bauten, die Wahrzeichen des Wohlstands der kleinen Leute.
Erinnerungen leben auf
„Am 1. April 1954 habe ich auf Graf Bismarck als Lehrling angefangen“, erzählt Karl-Heinz Bonowski, der heute noch einmal Erinnerungen aufleben lassen möchte. „Zu der Zeit gab es fast nichts Anderes. Und es gab gutes Geld auf der Zeche. Wir waren als Jugendliche die Kings. Wenn wir ausgingen, konnten wir uns sogar ein Bier leisten. Erle hat von der Zeche gelebt. Und mich interessiert das bis heute.“
Der Pütt sorgte für ein gutes Leben der Kumpel, doch selbst war er nicht wirtschaftlich. „Graf Bismarck war der am wenigsten gewinnbringende Betrieb. Für die Stillegung entschied man sich aus kaufmännischer Sicht“, erzählt Hubert Kurowski und berichtet, das Grubenfeld wurde bis zum Jahr 2000 abgebaut.
Zwei unterschiedliche Welten
Vom Autobahndeckel in Erle aus geht es los. Nur ein paar Meter sind zu laufen, dann erreicht die Gruppe die Breitestraße, bleibt vor dem Haus Nummer 19 stehen. Eine unscheinbare Mauer trennt das Grundstück von dem benachbarten. Früher trennte sie zwei Welten voneinander.
„Diese Mauer ist ein Ausdruck der sozialen Unterschiede“, sagt Kurowski. „Links wohnten die Bergleute, rechts die Zechenbeamten. Es gab hier eine richtige soziale Trennung. Selbst die Kinder durften nicht miteinander spielen.“ Die Mauer setzte sich damals auf der anderen Straßenseite fort. Dieser Teil aber musste weichen. Der Heimatforscher bedauert das: „Diese Mauer ist denkmalwürdig.“
Wichtiger Arbeitgeber
Die Aussage ist vor allem an einen gerichtet: Wilfried Heidl. Und der Bezirksbürgermeister hat verstanden. „Ich werde das der unteren Denkmalbehörde vorschlagen.“ Obwohl er sich in seinem Amt gut auskennen muss im Stadtteil, geht er heute gerne mit. „Ich bin immer neugierig. Hubert Kurowski erzählt immer wieder Geschichten, die man noch nicht kennt.“ Die Anekdote mit dem Obersteiger und seinem besonderen Wecker ist so eine.
An der Ecke zur Frankampstraße fällt der Blick auf eine alte Mauer aus verwitterten Backsteinen. „Das ist der letzte erhaltene Teil der Zechenmauer“, raunen sich einige der Teilnehmer zu. Sie haben recht. Jetzt ist Phantasie gefragt. Auf einer Wiese stehend zeigt Hubert Kurowski Fotos. „Hier war das Berglehrlingsheim. Das wurde 1948 gebaut und hatte Platz für sechzig junge Bergleute von Auswärts. Die konnten hier wohnen bis zur Knappenprüfung.“ Gleich daneben sei die Bergbauberufsschule gewesen.
Alle Auszubildenden wurden übernommen
Dann beeindruckt der Referent mit Zahlen: „Im Jahr 1950 gab es hier 377 Berglehrlinge, dazu 44 junge Handwerker und 168 jugendliche Arbeiter. Das muss man sich mal vorstellen. Die Zeche war ein wichtiger Arbeitgeber. Und alle Auszubildenden wurden übernommen.“
Sie fuhren dann ein auf dem Pütt, der nur wenige Meter entfernt und eine Welt für sich war, aber einer neuen Zeit gewichen ist. Was heute nur noch zu erahnen ist, war das Herz des Stadtteils, ein „Familienpütt“, erzählt Kurowski. Dann zeigt er eine Broschüre vor, deutlich im Stil der 1950er Jahre. „Mit dieser Werbung ging man in die Schulen.“ Dann liest er daraus vor: „Bei uns bist du richtig. Nur einen Katzensprung ist man von zu Hause entfernt und kann immer noch die Füße unter Mutters Tisch stellen.“