Geschichtskreis Hassel/ Bergmannsglück in Gelsenkirchen befürchtet auch das Aus für die geplante Seidenraußenzucht, die sie auf Anregung des Agenda-21-Büros für Grundschulkinder wiederbeleben wollten. Kritik an den Poltikern im Stadtteil
Er hat nicht das sprichwörtliche Handtuch, sondern eher die Mistgabel hingeschmissen: Nach knapp 80 Jahren, die die Familie Vahlkamp das Grabeland nördlich der Valentinstraße beackerte, ist jetzt Schluss. Wilhelm-Matthias Vahlkamp und seine Familie geben auf.
„Ich habe meinen Pachtvertrag bei der Stadt gekündigt“, sagt der Mann zerknirscht. Nachdem er kürzlich bei der Fußball-EM die Nationalhymne gehört hatte, sei ihm klar geworden: „Einigkeit gibt es nicht und einen Einsatz der Kommunalpolitiker für den Bürger auch nicht.“
Schafweide wird zum Ökokonto
Zum Hintergrund: 2010 hat die Stadt das Land, was von insgesamt zwölf Pächtern in Hassel bearbeitet wird, zum Landschaftsschutzgebiet erklärt. 2013 musste Vahlkamp bereits 2500 Quadratmeter, die er bis dahin als Weideland für seine Schafe nutzte, abgeben.
„Die Stadt hat das Land dem Ökokonto zugefügt“, berichtet Vahlkamp. Als Ausgleichsfläche für eine an anderer Stelle im Stadtgebiet versiegelte Fläche. 2015 wurden auf dem Gelände Obstbäume angepflanzt und der Bereich mit einem Stacheldrahlt umzäunt (wir berichteten). „Damit konnte ich meine Flächen nicht mehr mit dem Pkw erreichen“, sagt Vahlkamp.
Pächter vor vollendete Tatsachen gestellt
Was den Pächter besonders stört: „Mit uns hat niemand gesprochen. Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“. Mit Unterstützung des Grünen-Politikers Karl Henke und des Geschichtskreises Hassel/Bergmannsglück wollte Vahlkamp die Stadt dazu bewegen, eine Zufahrt zu dem Gelände zu gestatten. Allerdings klappte das Vorhaben nicht.
„Ausgesprochen schade“, findet Heimatforscher Egon Kopatz, dass Vahlkamp aufgegeben hat. Denn in seinem Garten sollte die alte Seidenraupenzucht wiederbelebt werden. „Das Agenda-21-Büro ist an uns herangetreten mit dem Vorschlag, die Seidenraupenzucht als pädagogisches Projekt für Grundschüler zu revitalisieren. Die Kinder könnten die Entwicklung der Eier über die Raupen bis hin zur Verpuppung in Kokons begleiten und sich an der Seidenfaden-Gewinnung beteiligen“, so Geschichtskreis-Vorsitzender Egon Kopatz.
Kulturelles Highlight
Vahlkamp hätte sein Gelände, genau das, wo in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits Seidenraupen gezüchtet wurden und wo heute noch die für die Aufzucht der Tiere wichtige Maulbeerhecke steht, dem Geschichtskreis zur Verfügung gestellt. Aus den Kokons der Hasseler Raupen wurden damals in der Mitteldeutschen Spinnhütte in Celle Fallschirme gesponnen.
„Es wäre ein kulturelles Highlight gewesen, die Zucht neu zu beleben“, sagt Egon Kopatz wehmütig. Und rechnet gleich darauf mit der Politik ab: „Die Politiker vor Ort sollten sich für die Bürger im Stadtteil einsetzen. Sie tun aber nichts!“, schimpft er.