1Stefanie und Martin Schulze Schleithoff leben ihren Traum. 1997 haben Martins Eltern einen alten Resthof in Resse von der Stadt Gelsenkirchen gekauft und saniert. Seit 2013 bewirtschaften Stefanie und Martin Schulze Schleithoff den Hof. Zunächst landeten Tomaten, Gurken, Kartoffeln & Co nur auf den eigenen Tellern. Seit Januar 2016 produzieren sie ihre Lebensmittel ganz modern: alternativ – und in Gemeinschaft.

Fair, transparent und nachhaltig

„Wir geben den Lebensmitteln ihren Wert zurück.“ Stefanie Schulze Schleithoff, die Kölnerin, die wegen der Liebe nach Gelsenkirchen gezogen ist, hat ihren Traum von einer fairen, transparenten und nachhaltigen Landwirtschaft verwirklicht. Vor einigen Tagen hat ihr Mann Martin die ersten Kohlrabi und Brokkoli auf dem Lindenhof geerntet und an die 102 „Genossen“ verteilt. 60 Menschen, so hatten sich Stefanie und Martin Schleithoff im Januar ausgerechnet, müssten sie von ihrer Idee begeistern. Dann könnte das Projekt auf dem 12,5 Hektar großen Hof gelingen. Damals waren die Beiden noch skeptisch, ob sich so viele Städter dem kleinen Wirtschaftskreislauf anschließen wollen. „Nach nur zwei Stunden“, so berichtet Martin Schulze-Schleithoff, „waren die Anteile weg“. Das habe den Jungunternehmern „schon ein bisschen Angst gemacht“.

Denn die Menschen, die sich ihrem Projekt angeschlossen haben, zahlen nicht für das einzelne Kilo. Sie beteiligen sich an den Kosten für die gesamte Landwirtschaft, bekommen Tomaten, Fleisch und Eier dafür. Ihr monatlicher Obolus sorgt für ein gerechtes Einkommen der Familie Schulze Schleithoff, so dass sie ohne Preisdruck und Wachstumswahn ökologisch sinnvoll Landwirtschaft betreiben kann.

Solawi (solidarische Landwirtschaft) heißt dieses Konzept, bei dem Gemüse und Gemeinschaft gleichermaßen wachsen sollen – oft beworben mit dem Wortspiel „Kraut-Funding“, man kann aber auch einfach Genossenschaft sagen.

Immer freitags können die Genossenschafts-Mitglieder ihre Ernte einfahren. Je nach gezahltem monatlichen Beitrag (von 16 bis 158 Euro) bekommen sie frisches Gemüse, Obst und Apfelsaft, Eier von freilaufenden Hühnern und Fleisch. Von Tieren, die Tageslicht sehen und auf Weiden leben dürfen.

„Mit etwas Glück gehen unsere Hinterwalder Rinder in 25 Jahren mit uns in Rente“, sagt der 31-jährige Martin Schulze Schleithoff. Die „Coole Jule“ scheint ihn zu verstehen und leckt mit ihrer rauen Zunge seinen Unterarm während sich die „Flotte Lotte“ entspannt ihr helles Kopfhaar streicheln lässt. Neben Jule genießen die ersten Kälber in diesem Frühjahr im frischen Stroh oder wahlweise auf der Weide die Mittagssonne.

Direkt vom Erzeuger zum Verbraucher

Völlig unaufgeregt und neugierig streckt eine Sau dem Besucher ihre „Steckdosen-Nase“ entgegen. Auch sie verbringen ihre Zeit in direkter Nachbarschaft zu den Menschen. „Wir halten die Schweine in großzügigen Ställen auf Stroh mit gelegentlichem Weidegang. Ein Außenbereich ist in Planung“, sagt Stefanie Schulze Schleithoff.

„Uns begeistert, dass wir eine kleinbäuerliche Landwirtschaft wieder tragfähig machen“, erklärt sie. Dabei können die Menschen mithelfen. „Es wird etwa sechs bis sieben Tage im Jahr geben, an denen sie uns zum Beispiel bei Ernte und Aussaat unterstützen können“, sagt ihr Mann, „aber nicht müssen.“

Die ersten Arbeitseinsätze hat’s auch schon gegeben. „Wir haben gemeinschaftlich eine Weide eingezäunt und Kartoffeln gehackt“, schwärmt der junge Landwirt. „Das hat richtig Freude gemacht“.

Zur Zeit planen die freiwilligen Helfer ihr erstes Ernte-Dank-Fest. Und beleben eine alte Tradition: früher, eigentlich für die längste Zeit der Menschheitsgeschichte, waren Menschen mit dem Land verbunden, das sie ernährt hat.

Anders als im Supermarkt gibt es bei der Solawi keine weiten Wege. Die Lebensmittel gehen direkt vom Erzeuger zum Verbraucher. Und, vielleicht noch wichtiger: Die Mitglieder der SoLawi „wissen woher ihre Lebensmittel kommen und wie sie erzeugt wurden“, sagt Schulze-Schleithoff. „Stadt und Land arbeiten Hand in Hand“ ist der Slogan der beiden.

Die Teilhaber dürfen und sollen auch mitbestimmen, was angepflanzt und produziert wird. „Wenn sie fordern, dass alle Hühner rote Strickmützen tragen sollen – dann rechnen wir ihnen vor, was es kostet“, scherzt Schulze Schleithoff. „Wenn sie bereit sind, es zu finanzieren – bitte, gerne.“