Gelsenkirchen-Buer. . Das Amt des Pfarrers aufgeben angesichts leerer Kirchenbänke und schwindender Bedeutung des Glaubens in der Gesellschaft? Das käme Pastor Bernd Steinrötter, Propst Markus Pottbäcker und Pfarrer Eckehard Biermann nicht in den Sinn.

Die Kirchenbänke werden leerer, dafür nimmt die Zahl derer zu, für die der Glaube kaum eine Rolle spielt. In Münster hat die Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit den katholischen Gemeinde-Pfarrer Thomas Frings so frustriert, dass er vor Kurzem sein Amt aufgab und ins Kloster ging. Ein Einzelfall!? Hier vor Ort hat jedenfalls noch kein Pfarrer um Entlassung gebeten. Spurlos geht die aktuelle Entwicklung aber auch an ihnen nicht vorüber, wie eine Umfrage im Stadtnorden zeigt. Dennoch: Zumindest für Pastor Bernd Steinrötter, Propst Markus Pottbäcker und Pfarrer Eckehard Biermann ist das Glas halbvoll. Mindestens.

„Natürlich frage ich mich nach Erstkommunion und Firmung schon mal: Was bleibt?“, räumt Bernd Steinrötter (52) ein, Pastor der katholischen Liebfrauen-Gemeinde Beckhausen, die zur Pfarrei St. Hippolytus gehört. Von den 107 Kommunionkindern in der Pfarrei seien es „vielleicht um die 30“, die Messdiener werden oder mal ab und an in die Messe gehen.

Momente zählen

„Es gibt Momente, da frustriert das. Dann frage ich mich schon, ob das richtig ist, wie ich es angehe. Aber eigentlich sehe ich mich eher in der Rolle des Sämanns, der das tut, was ihm in die Hand gelegt wird. Er schaut nur auf den Moment und vertraut darauf, dass einige Samen aufgehen werden. Dafür lohnt sich der Aufwand. Was wir tun, ist etwas Gutes!“

Dass dies nicht nur ein frommer Wunsch ist, erlebt Steinrötter zwar nicht jeden Tag – aber immer mal wieder. „Wenn Eltern mir nach der Kommunion sagen, dass die Vorbereitungszeit auch für sie erfüllend war, ist das schon toll. Auch wenn sie danach nicht mehr jeden Sonntag in die Kirche kommen.“

„Zahlenfixiertheit ein Fetisch“

Propst Markus Pottbäcker von St. Urbanus geht gar noch einen Schritt weiter: „Diese Zahlenfixiertheit ist wie ein Fetisch! Zahlen sagen nichts über tatsächliche Glaubensüberzeugungen aus, sie sind kein Kriterium für Erfolg. Deshalb empfinde ich die Zahl zurückgehender Kirchgänger nicht mal im Ansatz als frustrierend.“ Kirche dürfe keine „100-Prozentigen“ erwarten, „schließlich waren auch die Jünger kein engster Kreis, sondern eine überforderte Truppe“.

Nicht nur für Pottbäcker und Steinrötter sind es die Momente, die zählen, etwa intensive Glaubensgespräche abseits der Messliturgie. Auch Pfarrer Eckehard Biermann von der Evangelischen Christus-Kirchengemeinde Buer misst den Wert seiner Verkündigung eher an dem ehrlichen Austausch mit Gläubigen, „gerne auch auf der Cranger Straße“. Zwar würden die Kirchen leerer, „aber das Bedürfnis nach Spiritualität und religiöser Vergewisserung ist nach wie vor groß“, hat er in den 18 Jahren als Pfarrer in der Resser Mark festgestellt. „Es wirkt so, als habe die Zahl der Kirchenfernen zugenommen. Tatsächlich sind sie aber wohl nur mutiger zuzugeben, dass sie mit Gott nichts zu tun haben wollen.“

„Ich bin auch ein Empfangender“

Frustriert sei er deshalb nicht, ganz im Gegenteil. „Ich halte Gottesdienste doch nicht nur für Andere, sondern auch für mich. Insofern bin ich nicht nur Gebender, sondern auch Empfangender“, ist er immer noch gerne Pfarrer. Auch Pastor Steinrötter mag sich keinen anderen „Job“ vorstellen. Sein depressives Erschöpfungssyndrom vor zwei Jahren sei nicht durch frustrierende Erlebnisse mit Gläubigen zurückzuführen gewesen, sondern auf Arbeitsüberlastung. „Priester zu sein, ist das, was ich immer machen wollte“, lässt er sich nicht entmutigen. Und der Propst, Hirte von rund 38 000 „Schäfchen“? „Ich bin genau an der richtigen Stelle in genau der richtigen Zeit.“