Das neue Stück „App die Post“ feierte Premiere im Stadtteilzentrum in Gelsenkirchen-Hassel und die Lachmuskeln der Besucher werden ordentlich strapaziert. Bei einer Abrechnung mit der modernen Zeit zwischen digitaler Welt, Burnout und Hartz IV.

Entspannungstherapeutin „Sheila“ betritt die Bühne im Stadtteilzentrum. Mit den gespannten Gästen der Premiere des neuen Tullux-Stückes will sie Übungen machen, lässt die Besucher einander die Hände reichen.

Gleich folgt die Mahnung, die sich zum Running Gag entwickelt: „Wenn ihr hier nicht mitmacht, könnt ihr auch verlängert werden“. Und schon sind die Gäste drin im Kleinkosmos der Tullux-Welt, die humorvoll und auch zynisch abrechnet mit der modernen Zeit zwischen digitaler Welt, Burnout und Hartz IV.

Episodenwerk

Das Stück ist wieder ein Episodenwerk. Mal finden sich die Besucher in der psychosomatischen Klinik wieder, mal sind sie Zaungast bei der Hatz IV-Familie Strubbelmann. So kommt schon in der zweiten Szene „Walther“ auf die Bühne. Er leidet unter Burnout, wird behandelt – auch von Therapeutin „Sheila“, die zwischen Esoterik-Guru und Gypsi-Wahrsagerin angelegt ist.

„Walther“ wendet sich an die „Neuen“, die Gäste. Er strahlt. „Come in and burn out.“ Was für eine Einladung. Dann gibt er Tipps für die Neuankömmlinge. Sie sollen sich nicht freuen, dass sich das Smartphone automatisch in das kostenlose W-Lan einlogge. „Vorsicht, das ist nur Kontrolle.“ Es gebe nämlich eine App der Heimleitung, mit der die Patienten überprüft werden. „Walther“ hat die App geknackt,führt sie vor. Das Publikum kann auf einem LED-Bildschirm folgen. „Einer hier ist bei Elite Partner angemeldet. Ich sag aber nicht wer“, wendet er sich an die Gäste. „Aber du weißt schon, dass man dafür Abitur haben muss.“

Neue Texte zu bekannten Melodien

Zwischen den Szenen bereichern Lieder das Programm. Die Tullux-Truppe bietet neue Texte zu bekannten Melodien – und macht weiter mit ihrer bitterbösen wie komischen Kritik. Die Akteure besingen den Kurschatten in der Heilanstalt, schildern eine fiktive Liebesgeschichte: „Sechs Wochen waren sie zusammen in Kur, das war Liebe pur.“ Der Refrain: „Zweisamkeit geht nur mit zwei Personen“. Doch die hält im Lied nur bis zum Junggesellenabschied. Dessen Entgleisungen bleiben nicht geheim. Vielmehr stehen sie wenig später auf „Youtube“. Dumm gelaufen.

Besonders gut kommt Familie Strubbelmann an. Die bekommt Besuch vom Amt. Die Dialoge sind alle in Reimform geschrieben. Viele Reime sind brutal erzwungen. Das steigert noch die Komik. Los geht es mit der lyrischen Vorstellung der Familie, deren Kopf Vater Friedrich ist. Die Familienverhältnisse erinnern an eine Reality-Show im TV. Das findet sogar der Mann vom Amt. „Ich rufe auch andere Ämter schnell, vielleicht auch RTL.“ Die Strubbelmanns lässt das kalt. Sie entgegnen mit einem Lied: „Alle im Haus kommen groß raus, sie sind alle dabei bei RTL II.“

Kabarettistische Übertreibung

Die Tullux-Truppe zeigt, sie sind Meister der kabarettistischen Übertreibung. Sie legen den Finger in die Wunde, halten der Gesellschaft den Spiegel vor. Dass da das Premierenfieber bei einigen Darstellern dem Lampenfieber weicht, nicht alle Passagen optimal sitzen, nehmen die Gäste nicht übel. Die Lachmuskulatur wird heute auch so ordentlich strapaziert.