Todesangst, Hunger, Durst – Bareq Al Anbary ist mit seinem Cousin aus dem Irak geflohen. der 21-Jährige berichtet über Stationen einer unmenschlichen, lebensbedrohlichen Odyssee. Sein größter Wunsch: Deutsch lernen und Fußball spielen

Zum Schluss hat Mama im fernen Irak nur noch gekreischt. „Überglücklich“, sagt Bareq Al Anbary, weil er, ihr inzwischen 21-jähriger Sohn, nach einer zum Teil lebensbedrohlichen, anderthalbjährigen Odyssee wohlbehalten in Deutschland angekommen ist.

2013 hatte Bareq seine irakische Heimat verlassen. Traumatisiert, weil sein bester Freund nach einem Fußballspiel von einer Bombe zerfetzt wurde. „Ich wollte nichts mehr essen, nur noch sterben“, sagt er. Eine Woche später stand sein Entschluss fest und der lautete: Flucht. Zwei Tage fuhr er mit dem Bus Richtung Türkei, landete in Istanbul und fand einen Job in der zweiten türkischen Liga bei Trabzonspor.

Engagement bei Trabzonspor

Das vermeintliche Glück hielt nicht lange. Die türkische Mehrheitsgesellschaft mochte den neuen Iraker nicht. „Ich fühlte mich nicht gut“, erinnert er sich. Nach einem Jahr am Bosporus wagte er die Flucht Richtung Griechenland. In einer Nussschale, die die Schlepper Boot nannten, wurden mitten in der Nacht 62 Menschen zusammengepfercht und ihrem Schicksal überlassen.

„Da hinten am Horizont das rote Licht ist Griechenland“, sagten sie lediglich. Das Mittelmeer zeigte sich während der zehnstündigen Überfahrt von seiner brutalen Seite: bedrohlich hohe Wellen und mitten in der Nacht entglitt ein dreijähriges Kind den Armen ihrer Mutter und fiel ins Wasser. „Die Mehrheit an Bord wollte das Kind zurücklassen“, sagt Bareq, aber er und sein Cousin Mustafa sprangen beherzt ins Wasser und retteten das Mädchen.

Nächtliche Mammutmärsche

Die weitere Flucht gestaltete sich schwierig: Hunger, Durst und Todesängste begleiteten das Duo. Nächtliche Mammutmärsche durch Wälder, in denen lediglich das Funkeln in den Augen wilder Tiere zu sehen waren, Zwangsstopps in unzugänglichen Gegenden – all das war notwendig, um schießwütigen Grenzposten in Mazedonien und Ungarn auszuweichen.

Immer wieder keimte Hoffnung auf, wenn Schleuser einen unkomplizierten Weitertransport versprachen. Kohle kassierten, und statt des versprochenen Busses einen kleinen Lkw schickten, in dem die Flüchtlinge, schlimmer als Schlachtvieht zusammengestaucht wurden. „Wir haben mit Messern Löcher in die Lkw geschnitten, damit wir Luft bekommen“, erzählt Bareq, zückt sein Handy und zeigt zum Beweis ein paar Fotos, die er von diesem Martyrium aufgenommen hat.

Notunterkunft verlassen

Nach 25 Tagen erreichen sie endlich Österreich. „Ich habe vor Glück geweint“, sagt Bareq. Von Wien führte ihn der Weg über München nach Gelsenkirchen.

Inzwischen konnte er mit seinem Cousin Mustafa die Notunterkunft an der Breddestraße verlassen und eine Wohnung beziehen. „Ich bin jetzt frei“, sagt er und formuliert seine Wünsche: Deutsch lernen, Fußball spielen, eine Freundin finden und studieren. Wenn er das erreicht, wird Mama sicher erneut kreischen. Vor Glück.