Den kleinen Kiosk am Gartmannshof in Gelsenkirchen gibt es bereits seit 1932. Damals wie heute ist er Anlaufstelle für Durstige, Hungrige, Vergessliche und Menschen, die etwas zu erzählen haben. Ein Besuch bei den Mummel-Nachfolgern Elke Mainka und Dirk Sotke.

Ob Heinz Mummel auch Brot und Gebäck, Speiseöl, Dosenravioli, Haarspray für Glanz und Halt, frische Eier und Schaumwein im Angebot hatte, damals, als er den Kiosk am Gartmannshof in Middelich eröffnete? Wohl kaum.

Denn 1932 war ein Kiosk nicht mehr als eine Trinkhalle, ein Büdchen, wo man Wasser aus Klickerflaschen kaufen konnte und natürlich Süßigkeiten. Heute gibt es den Kiosk Mummel immer noch, auf unveränderter Grundfläche, aber mit der Artikelvielfalt fast wie in einem Warenhaus.

Vor sechs Jahren haben Elke Mainka und Dirk Sotke den Kiosk gekauft, mit gewissen Zweifeln im Bauch. Heute wissen sie, dass diese Entscheidung richtig war. Der Kiosk Mummel lebt weiter, sehr zur Freude der Nachbarschaft.

Vor sechs Jahren hatte Elke Mainka den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Ein bisschen auch aus Verzweiflung, weil es Beschäftigungschancen für die ausgebildete Sozialversicherungsfachangestellte und Köchin mit über 50 Jahren ja kaum gab.

Ein gewagter Schritt

Erinnerungen an die alten Tage: Ein Stopp am Büdchen von Heinz Mummel (l.) in den 50er Jahren.  Repro
Erinnerungen an die alten Tage: Ein Stopp am Büdchen von Heinz Mummel (l.) in den 50er Jahren. Repro © privat

„Durch Zufall hatten wir davon erfahren, dass der Kiosk zum Verkauf steht“, erzählt ihr Mann Dirk Sotke (49), der im Hauptberuf Metallbaumeister ist und sich nach Feierabend auch um Ein- und Verkauf kümmert. Die beiden wagten den Schritt, schnitten Grün zurück, legten den Blick frei auf das Häuschen mit dem Spitzdach, plattierten den Vorplatz neu, stellten Tische, Stühle und Sonnenschirme auf.

Und so langsam kamen die Kunden wieder zurück, die Vorgänger-Pächtern die Treue aufgekündigt hatten. Auch wenn der Mummel-Kiosk abseits der viel befahrenen Cranger Straße mitten in einem Wohngebiet liegt: Elke Mainka bringt kaum einen Satz zu Ende, da muss sie schon wieder zurück zum Schalter, um Eis am Stiel, Mineralwasser und manchmal auch Wein und Hochprozentiges herüber zu reichen.

Richtig recken muss sich die 1,58 Meter große Frau, wenn lose Süßigkeiten von ganz oben verlangt werden. Kinderstückartikel, so heißen Lakritze, Weingummi, Schaumerdbeeren und Brausedrops in der Fachsprache des Einzelhandels.

Kommunikation wird geschätzt

Kinderstückartikel lagern bei Elka Mainka acht Etagen hoch, da reicht ihr der kleine Tritthocker nicht, da muss es schon der mittelgroße sein, um in die Schütte greifen zu können. Ob Handy-Guthaben, Mehl oder die Paket-Rücknahme einer enttäuschten Zalando-Kundin: Hier am Kiosk wird nicht nur die Dienstleistung, sondern auch die Kommunikation wertgeschätzt. Oder wie es Elke Mainka ausdrückt: „Man kennt manche Leute nicht, aber nach zwei Minuten erzählen sie einem ihre Lebensgeschichte.“

Den Kunden ein Ohr zu schenken, vielleicht auch mal einen Ratschlag zu geben und unter besonderen Umständen auch etwas anschreiben zu lassen: Mit diesem Service kann kein Rewe, kein Netto, kein Aldi mithalten.

Treue Kunden kommen per Taxi

Andererseits: „Als wir den Kiosk übernommen hatten, begann das Kiosk-Sterben durch die verlängerten Öffnungszeiten der Supermärkte“, erinnert sich Dirk Sotke. Und freut sich zusammen mit Elke Mainka über ganz besonders treue Kunden. Zum Beispiel aus dem Altenheim am Haunerfeld, wenn sie mit dem Taxi vorfahren. Trotz eines Sieben-Tage-Betriebs, trotz nur eines einzigen Ruhetages im Jahr, nämlich dem ersten Weihnachtsfeiertag, versichert Elke Mainka ihnen: „Wir halten durch!“