Auf dem Vorplatz der Liebfrauenkirche in Beckhausen stehen unzählige schwere Motorräder. Ihre Fahrer warten auf den Start in die neue Freiluftsaison - und auf den Segen von pastor Bernd Steinrötter

Gelsenkirchen-Beckhausen. Samstagmittag, ein Uhr. Auf dem Vorplatz der Liebfrauenkirche stehen unzählige schwere Motorräder. Darauf sitzen deren Eigentümer. Alle sind gespannt, warten auf den Segen von Pastor Bernd Steinrötter. Doch die ersten Tropfen, die auf die Häupter der Wartenden fallen, sind kein Weihwasser. Pünktlich zum Schlag der Kirchenuhr nämlich beginnt es zu regnen. Kurz aber kräftig. Lachend flüchten sich alle unter Zeltdächer. Denn der Regen wird hier und heute als himmlischer Segen empfunden.

Zum zweiten Mal findet in Beckhausen das „Anfahren“ statt. Dahinter verbirgt sich die Segnung der Motorradfahrer, später auch der Radfahrer. Es ist ein besonderer Moment, fernab aller Klischees. Die harten Kerle, die hier um den Segen Gottes bitten, überraschen. „Es gibt mir ein sicheres Gefühl, gesegnet zu werden“, erzählt Thomas Meyer, der mit seiner Suzuki „Intruder“ her gekommen ist. „Ich glaube daran. Die Segnung gehört für mich dazu.“ Ohne die fahre er auch keine großen Strecken, erzählt Thomas Meyer. „Fast alle Biker, die ich kenne, lassen sich segnen. Das tut man auch in Gedanken an verunglückte Kollegen. Der Gefahr ist man sich immer bewusst.“ Mit seinem Kommen will er aber auch ein Zeichen in die Welt schicken: „Dass wir Biker nicht böse sind.“

Motorenbrummen statt Orgelklang

Besonders ist nicht nur die optische Szenerie. Zu der gesellt sich Musik aus den Lautsprechern. „Highway To Hell“, schreien AC/DC. Eine außergewöhnliche Ouvertüre zur Segnung durch einen katholischen Pastor. Und so geht es weiter. Der nächste Titel ist „Hells Bells“.

Für die Veranstaltung zeichnet Hermann Sievers, Inhaber der Gaststätte „Glückauf Quelle“, verantwortlich. Mit vielen Helfern rief er vor zwei Jahren das „Anfahren“ ins Leben. „Es soll ein Event sein für den Stadtteil und eine feste Einrichtung werden.“ Da sieht Sievers auch noch Potenzial. „Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Das ist klar.“ Warum die Segnung von Bikern zu gut angenommen wird, kann er selbst nicht erklären. „Das sind alles gestandene Kerle, zum Teil auch Bandidos, die kommen, um das Motorrad segnen zu lassen. Das kann ich nicht erklären.“

Ausgedrückte Lebensfreude

Mitorganisator Markus Brauner wagt einen Versuch: „Selbst ein Bandido hat vielleicht Familie, will heil wieder nach Hause kommen.“

Der kurze Regen hat aufgehört. Die Segnung kann beginnen. Bernd Steinrötter will es kurz halten. Eingangs erklärt er: „Für den Segen für die Maschinen sind die Techniker verantwortlich. Heute geht es um sie.“ Dann liest der Pastor den „Psalm der Motorradfahrer“. „Wenn ich mein Motorrad beschleunige, so drücke ich meine Lebensfreude aus. Doch Gott, wenn ich in den Morgen fahre, so weiß ich nicht, ob ich den Abend noch sehen werde.“ Bei solch treffenden Worten sind die Biker sichtlich ergriffen. Jetzt erfolgt der Segen. Nach fünf Minuten ist alles vorbei. Laute Motorengeräusche ersetzen die Orgelmusik, die sonst zu hören wäre. Mit Gottes Segen fahren die Biker die erste Runde.