Essen-Steele. . Zwischen 1000 und 1500 Menschen lesen täglich im Internet, wie Zuzüglerin Juliane Helmke den Ruhrpott erlebt und entdeckt. Nach Stationen in Spanien und Stuttgart zog es die 35-Jährige nach Steele.

In Bottrop aufgewachsen, war Juliane Helmke schnell klar: „Es gibt nichts, was mich hier hält.“ Nach dem Abitur zog sie zehn Jahre durch die Welt, machte Station in Spanien, Frankfurt und Münster, bevor sie zum Studium der Sozialpädagogik in Stuttgart strandete. „Ich wusste immer, dass ich mit meiner taffen, direkten Ruhrgebietssprache auffalle.“ Also kam sie zurück ins Revier, wohnt heute in Steele und berichtet der Welt via Blog im Internet, wie es sich lebt zwischen Relikten aus dem Bergbau, mitten im Wandel.

„Als ich hierher nach Essen kam, kannte ich erst mal keinen“, sagt die 35-Jährige. Übers Internet verabredete sie sich mit Menschen, die ebenfalls auf der Suche nach Bekanntschaften waren. „Doch ich habe schnell gemerkt: Es ist zu wenig, wenn der kleinste gemeinsame Nenner der Wunsch nach Kontakten ist.“ Stattdessen besann sie sich auf ihre Begeisterung fürs Schreiben, ihre Gabe, zu beobachten und Gesehenes originell und witzig in Worte zu fassen – und schrieb.

Viele Fans des Internet-Blogs senden Frau Juli Präsente.
Viele Fans des Internet-Blogs senden Frau Juli Präsente. © WAZ Fotopool

Anfangs veröffentlichte sie - ein wenig verschämt - unter ihrem Spitznamen ,Juli’, denn „es war schon seltsam, so öffentlich zu erzählen. Aber als der Blog gewachsen ist, habe ich nach und nach gelernt, dass ich zum Beispiel ein Impressum brauche und der Blog ein Gesicht.“ Rund 1000 bis 1500 Menschen besuchen ihre Seite täglich. Viele dieser virtuellen Besucher nahmen Kontakt zu ihr auf, einige traf sie ihm wahren Leben, manche wurden Freunde, Bekannte. „Was auf der Seite steht, hat viel mit mir zu tun.“ Was eine gute Basis zum Kennenlernen sei.

Zeche Bonifatius und Motel one

In den zwei Jahren, seit Juliane Helmke den Blog betreibt, hat sie ein beachtliches Archiv zusammengetragen. „Die Bilder liegen mir am Herzen“, und die Texte sind lang, „ich kann nicht kurz.“ Geschäfte, in denen sie schöne Dinge findet wie die Rüttenscheider „Wohngemeinschaft“ werden besprochen, Restaurants schreibt sie auch mal eine unmutige Kritik ins Stammbuch, Ausflugstipps sind zu finden von Zollverein bis Baldeneysee – und es gibt Zufallsfunde. „Letztens habe ich mich verfahren und dabei nette Dinge gefunden, darüber schreibe ich.“

„Ich freue mich, wenn ich etwas Schönes entdecke und das mit anderen teilen kann.“ Ob sich mit dem bloggen Geld verdienen lässt? „In Deutschland gibt’s da kaum Chancen. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Es ist schön, wenn ich sehe, dass Menschen meine Texte lesen und hin und wieder einen netten Kommentar schreiben.“ Längst ist die lebenslustige Texterin mehr als ein Geheimtipp. Zu Veranstaltungen wird sie eingeladen, startet sie Aktionen, findet sie bereitwillige Unterstützung.

„Super“-Bloggerin

Ihr Lieblingsmotiv: Zechen in allen Formen und Farben.
Ihr Lieblingsmotiv: Zechen in allen Formen und Farben. © WAZ Fotopool

„Ich habe zum Beispiel vor Weihnachten einen Adventskalender gemacht und in Läden gefragt, ob sie Präsente spenden.“ Tage gab’s, da verloste Juliane Helmke nicht ein schönes Teil, sondern gleich ein Paket, „weil es einfach zu viel für 24 Tage wurde.“ Teilnehmen konnte, wer einen Kommentar in ihrem Blog oder auf ihrer sozialen Netzwerk-Seite hinterließ. „Und das waren an manchen Tagen bei Facebook bis zu 80 und im Blog noch einmal 100.“

Doch Frau Helmke verschickt nicht nur – sie bekommt auch. „Es gibt zum Beispiel einen netten Herrn, der mir Fotomontagen mit meinem Kopf schickt.“ Ein Superwoman-Bild mit aufmontiertem „Juli“-Kopf bringt die Bloggerin mit zum Termin. Aber auch Bilder, in denen ein Fan häufig in ihrem Block verwandte Worte zusammentrug: „Herzensschnodder“, „POTTrait“ oder der Name ihres Blogs - „heimatPOTTential“ sind dort zu lesen.

Das Prunkstück ihrer Sammlung ist jedoch eine Kamera der Marke Lomo mit aufgeklebten Zechenturm-Bildern. „Die hat mir eine Freundin, mit der ich gemeinsam einen Ausflug zu dieser Zeche gemacht habe, geschenkt.“ Ob dieser Ausflug nun nett war? Das lässt sich hier leicht nachlesen.