Essen. .

Fast wäre nichts aus dem Geschäft geworden. Fremd fühlte sich Martin Grahl bei seinem ersten Besuch der Dampfbierbrauerei. Heimisch ist er inzwischen geworden. Ein „leidenschaftlicher Biertrinker“ in der „Perle des Nordens“.

Der erste Eindruck war fast verheerend - als sich Martin Grahl aufmachte zur Dampfbierbrauerei nach Borbeck: „Ich bin auf den Hof gefahren und wusste: Hier wirst du nicht alt, das ist nichts für mich.“ Irgendwie „provinziell“ kam dem aus der Metropole Frankfurt angereisten Grahl der Essener Norden vor. Doch kurze Zeit später kam dann doch noch Dampf auf den Kessel. „Es war Liebe auf den zweiten Blick“, sagt Grahl, der die Geschäfte der „Dampfe“ seit elf Jahren führt, heute. Wo auch sollte ein erklärter Freund des Gerstensafts sonst arbeiten als in der Nähe von Dampf- und Salonbier, dunklem Zwickel und hellem Kräusen, Erntedankbier im Herbst und Maibock im Frühjahr. Auch auf seinen persönlichen Favoriten muss der „leidenschaftliche Biertrinker“ in seiner Lokalität nicht verzichten: Schneider Weiße.

Riesiges Areal

Das Areal am Borbecker Bahnhof ist riesig: 12000 Quadratmeter misst das Gelände, 450 Plätze gibt es im Sommer auf der Außenterrasse, 700 im Festsaal im ersten Stock. 500 Gäste finden im Erdgeschoss der „Dampfe“ Platz. Und immer wieder Bier: 1500 Hektoliter fließen jährlich durch die Leitungen - und durch die Kehlen der Gäste.

Viele der rund 60 Mitarbeiter sind fest angestellt und etliche seit Jahren dabei. Grahl setzt auch in diesem Punkt auf Bewährtes. Seit einem Vierteljahrhundert schon mischt Karin Prengel mit. Will sie die Bedeutung der Dampfbierbrauerei in Essen und darüber hinaus beschreiben, erzählt sie gerne eine Anekdote aus dem Türkei-Urlaub, bei der sich dieser Dialog entspann: „Wo kommt ihr denn her?“ - „Aus Essen.“ - „Aha, in Essen kenn’ ich nur die ,Dampfe.’“ Die, sagt Prengel, sei eben die „kleine Perle im Essener Norden“ und weit über dessen Grenzen hinaus bekannt.

„Ein Brauhaus ist unkompliziert“

Die Lokalität ist für den Chef eine ganz besondere: „Ein Brauhaus ist unkompliziert“, sagt der Geschäftsführer hemdsärmelig, „man muss nicht chic sein, die Hemmschwelle ist niedrig.“ Und: Das Brauhaus ist „nicht szenegebunden“, freut sich Grahl. Resultat: Es kommt die Familie mit dem Kleinkind, es werden 100. Geburtstage gefeiert.

Auf der Speisekarte dagegen hat sich die „Dampfe“ geöffnet. Natürlich fehlen Haxe und Spanferkel nicht, gibt es die Bratwurst meterweise, aber auch Muscheln und diverse Salate sind unter anderem im Angebot. „Crosskitchen“, nennt Grahl das. Das unterscheide die „Dampfe“ nicht zuletzt auch von Brauhäusern in Köln oder Düsseldorf. Gastronomische Vielfalt hin oder her, an einem Punkt ist es dann doch sehr ruhrgebietstypisch: „Unser Schlager ist die Currywurst.“

Sinnhaftes Erlebnis

Martin Grahl ist gelernter, „passionierter Koch“, wie er sagt. Die Großmutter hat ihn einst dafür begeistert: „Das Arbeiten mit den Händen, die Gerüche, die Geschmäcker, du bist mit allen Sinnen dabei“, schwärmt der „Dampfe“-Chef. Ein sinnhaftes Erlebnis soll auch der Besuch in der Dampfbierbrauerei sein. Immer wieder ist in den vergangenen Jahren behutsam modernisiert worden, sagt Grahl: „Aber wir sind architektonisch in der Tradition geblieben“, um das Brauhaus als „gute Stube von nebenan“ zu erhalten.

Grahl ist herumgekommen in seinem bisherigen Leben: Geboren in Halle an der Saale, Ausbildung in Karlsruhe, Hotelfachschule in Regensburg, einige Jahre in Frankfurt bei Mövenpick, dann die Selbstständigkeit: Mit seinem Geschäftspartner Hartmut Eicher betreibt Grahl in Dortmund noch zwei weitere Brauhäuser. Geblieben ist Grahl dann doch dort, wo er sich zunächst so fremd fühlte: „Ich bin heimisch geworden.“ Darauf ein kühles Blondes. Oder doch lieber ein Weißes. Am besten frisch gebraut.