Rellinghausen. Was macht man mit einem knapp 700 Jahre alten, nicht einmal 20 Quadratmeter großen Bruchsteingemäuer, das verlassen, ungenutzt und von Bäumen zugewachsen im Rellinghausen des 21. Jahrhunderts steht?
Ganz einfach: Man überlässt es Architektur-Studenten des dritten Semesters und wartet ab, was geschieht. Wie wäre es mit einer Glasfassade? Oder mit einer Ausgrabung des unteren Turmteils? Würde Holzfachwerk passen? Und ist es möglich, eine Solaranlage zu installieren? Die Köpfe der Nachwuchsarchitekten rauchten bereits bei der ersten Besichtigung des Stiepelturms, der sich an der Rellinghauser Straße/Ecke Frankenstraße befindet. Vorschläge wurden gemacht und wieder verworfen, Fragen wurden gestellt und erste Fotos geschossen.
Ganz werden sie ihrer Kreativität jedoch nicht freien Lauf lassen dürfen, denn, wie im richtigen Geschäftsalltag, müssen sie ihre Ideen in ein Korsett zwingen, das einerseits von ihrem Auftraggeber und andererseits vom Institut für Denkmalschutz geschnürt wird. Der Auftraggeber, das ist in diesem Fall die Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, die sich an die „Peter Behrens School of Architecture" (PBSA) der Fachhochschule Düsseldorf gewandt und um kreative sowie fachliche Unterstützung gebeten hat.
„Uns ist der Blücherturm etwas zu klein geworden, deshalb würden wir den Stiepelturm gern als zusätzliche Ausstellungsfläche nutzen", erklärte Johannes Stoll, der Vorsitzende der Bürgerschaft. Mit dieser Idee im Kopf wandte er sich an Professor Robert Niess, für den Kooperationen solcher Art nichts Neues sind. „Als studentische Aufgabe ist ein solches Projekt sehr gut geeignet", erklärte der Architekt, der an der PBSA den Lehrstuhl für „Entwerfen und Bauen im Bestand" innehat.
Bis Februar haben die Studenten nun Zeit, an ihren Entwürfen zu arbeiten. In Einzelarbeit sollen sie Ideen entwickeln, wie der Stiepelturm neu gestaltet werden könnte, ohne dass dabei der ursprüngliche Charakter des Gebäudes verloren geht. Am Schluss sollen die studentischen Entwürfe ausgestellt werden. „Architektur ist eine öffentliche Kunst", erklärte Robert Niess. „Die Studenten müssen auch lernen, wie sie ihre Ideen verkaufen und wie sie mit Kritik umgehen."
Ob einer der Gestaltungsvorschläge tatsächlich irgendwann umgesetzt wird, bleibt jedoch fraglich. „Wir gehen davon aus, dass eine Sanierung mindestens 75 000 Euro kosten wird", erklärten Johannes Stoll und Udo Kiesendahl von der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald. Eine Summe, die in der Kasse der Stadt auf absehbare Zeit wohl nicht zu finden ist. Die Bürgerschaft hofft daher darauf, einen Investor für die Neugestaltung des Stiepelturmes zu finden. „Mit der richtigen Idee sind die Chancen vielleicht gar nicht so schlecht", meinte der Vorsitzende Johannes Stoll.
Nötig hätte der Turm eine Sanierung allemal. Die Fugen sind ausgewaschen, das Wurzelwerk der umstehenden Bäume zerstört nach und nach das Fundament. Im Inneren deuten Rußspuren auf einen Brand in der Vergangenheit hin. Einen richtigen Fußboden gibt es nicht, ein großes Loch in der Wand wird lediglich durch ein Gitter verschlossen.
Als Ausstellungsort scheint der Turm im jetzigen Zustand vielleicht abenteuerlich, jedoch auch ziemlich ungeeignet. Nun liegt es bei den knapp 25 angehenden Architekten, einen Vorschlag zu machen, der nicht nur eine gute Note einbringt, sondern auch die Bürgerschaft, den Denkmalschutz und einen potenziellen Geldgeber begeistert.